V.A. – Punx unite – leaders of today

Jake, seines Zeichens bei den CASUALTIES aktiv, hat nun auf seinem eigenen Label, Charged Records, einen Sampler veröffentlicht, der seinen Worten nach die besten echten Punk/HC-Bands aus dem Untergrund der USA zusammenfasst. Nun mag man über die CASUALTIES denken, was man will (ihre seltsame Vergangenheit auf Punkcore, ihr geringes Ansehen im Punk/HC-Bereich in den USA oder ihr oft veralbertes „perfektes“ Punkaussehen), aber im sehr knapp gehaltenen Booklet hat der gute Jake doch einige wichtige und richtige Dinge zu sagen. So etwa, dass man lieber selber eine Band starten sollte, statt ständig zu meckern, oder dass „die Szene“ immer nur so gut oder schlecht ist, wie die Beteiligten, also du und ich, sie werden lassen. Musikalisch gibt Jakes Hauptband ganz gut den Takt vor: Punk/ HC der alten, schnellen und rauen Schule, und das gleich 32 mal! Die bekanntesten Vertreter sind wohl THE UNSEEN, THE BRIGGS, TOXIC NARCOTIC und THE FORGOTTEN. Es gibt echt keine Ausfälle, trotzt der großen Anzahl von Bands (Sampler-Macher aller Länder, nehmt Euch ein Beispiel! BITTE!), und Fans des Sounds der alten Schule sollten keinen Moment zögern, hier zuzugreifen.
So, und nun ein weiterer Versuch, mich unbeliebt zu machen! Nee, nicht ernsthaft, aber ein zwei Sätze wollte ich noch loswerden, wozu mache ich denn den Kram hier, wenn nicht, um ab und an etwas Dampf abzulassen (auch auf Anraten meines psychologischen Betreuungsteams). Was mir auf den Sack geht, ist diese völlig übertriebene Selbststilisierung. Mit den perfekt gestylten und gefärbten Haaren und Lederjacken mit Nieten im Wert von mehreren hundert Dollar kann es einem nun wirklich nicht so schlecht gehen. Und das Leben am Abgrund, das gerne beschworen wird, wirkt ebenfalls wie ein schnöder Image- und Verkaufsfaktor. Ich weiß, dass das Leben in den USA seit der Machtübernahme durch Generalissimo Bush kein Spaß mehr ist, aber ganz sicher auch weit entfernt vom „Abgrund“ (bloßes punkiges Aussehen ist heutzutage in den westlichen Industrieländern einfach schon akzeptiert, da es völlig im Mainstream angekommen ist (H&M verkauft den Käse, verdammt noch mal!)). Punkiges Auftreten im stereotypen Sinne, also schnorren, saufen und rumhängen, ist gleichfalls im Mainstream angekommen (schaut Euch jeden beliebigen Stammtisch der Welt an und zählt die Unterschiede!), wenn es denn jemals irgendwas Alternatives an sich hatte. Da ist der arme Kerl, der in den USA verhaftet wurde, weil er ein „Give peace a chance“ T-Shirt trug, weitaus punkiger, sowohl im Aussehen, als auch im Handeln.
Ihr seid Punks und wollt CDs verkaufen? Gut, aber wozu dann diese Attitüde vom Leben auf der Straße, also auf Messers Schneide? Als wenn das in den westlichen Industrieländern noch irgend etwas von Gefahr hätte. Dadurch verkommt das ganze Gerede zum bloßen Verkaufsgespräch und das, denke ich, ist absolut nicht das, was Charged Records oder Side One Dummy eigentlich im Auge haben.
Was ist jetzt die Gesamtaussage dieses Gefasels? Keine Ahnung, aber vielen Dank fürs Zuhören (auch vom Psychologen-Team!) und lasst mich noch Folgendes hinzufügen: aller höchsten Respekt an die Punks in den Ländern der sogenannten Dritten Welt! Wer als Frau in Indonesien (einem streng konservativ-islamischen Land!) mit Iro rumläuft und mit Freundinnen eine eigene Punkband auf die Beine stellt – Hut ab, Herr Gorilla!
Over and out!