V.A. – Early rappers (hipper than hop – the ancestors of rap)

Wenn es um die Anfänge des Rap geht, denkt man naturgemäß an Namen wie SUGARHILL GANG, GRANDMASTER FLASH & THE FURIOUS FIVE oder AFRICA BAMBAATAA. Doch die Wurzeln des Sprechgesangs sind wesentlich älter und entwickelten sich zu Zeiten, als Begriffe wie HipHop, MCing oder Scratching noch überhaupt nicht existierten. Die damaligen Arten des Sprechgesangs waren nicht an eine feste Musikrichtung gebunden, sondern fanden sich in verschiedensten Spielarten afro-amerikanischer Musik wieder: CAB CALLOWAY etwa kombinierte bereits in den 30er Jahren Jazzklänge mit gesprochenen Texten. Soul-Prediger JOE TEX machte sich in den 60er Jahren den Sprechgesang für seine Botschaften ebenso zu nutze wie DR. HORSE in seinen Spoken Poetry-Performances, und auch bekannte Künstler wie Blues-Legende BO DIDDLEY und Rock´n´Roll-Pionier CHUCK BERRY haben es dank einer abgehackten Akzentuierung auf diese Zusammenstellung geschafft. Selbstredend dürfen auch THE LAST POETS nicht fehlen, die mit ihren zu einer minimalistischen Percussion-Begleitung vorgetragenen Polit-Lyrics sozusagen den Prototyp des Raps im heutigen Sinne erschaffen haben.
Ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, dass mir sämtliche Stücke auf dieser Compilation zusagen, aber darum geht es bei diesem aufwendigen Projekt auch nicht. „Early rappers“ ist vielmehr so etwas wie eine musikalische Geschichtsstunde für diejenigen, die sich tiefergehend mit den Ursprüngen und der Entwicklung von Rap-Musik auseinandersetzen wollen. Das dicke Booklet liefert passend dazu zahlreiche interessante Hintergrundinformationen über die hier vertretenen Künstler und die Entwicklung afro-amerikanischer Musikstile hin zum Rap. Als einzigen kleinen Minuspunkt möchte ich bemängeln, dass zu den meisten Liedern eine konkrete Angabe des Veröffentlichungsjahres fehlt, mithilfe dessen man die jeweilige Entwicklungsstufe einem zeitlichen Kontext zuordnen könnte. Ansonsten ist die Umsetzung des Konzeptes aber mehr als gelungen.
Übrigens, wenn man mal die Anfänge des deutschsprachigen Raps genauer unter die Lupe nimmt, dann gab es deutschen Sprechgesang ebenfalls lange, bevor ihn Gruppen wie ADVANCED CHEMISTRY oder die FANTASTISCHEN VIER salonfähig gemacht haben. Beispielsweise sorgte FALCO bereits 1981 mit „Der Kommissar“ für Aufsehen. Für den allerersten offiziell veröffentlichten deutschen Rap-Song ist allerdings jemand anderes verantwortlich: Kein Geringerer als Thomas Gottschalk (!) veröffentlichte 1980 gemeinsam mit seinen Moderatorenkollegen Frank Laufenberg und Manfred Sexauer unter dem Namen GLS UNITED eine eingedeutschte Neuinterpretation des SUGARHILL GANG-Charthits „Rappers delight“. Hoffen wir also, dass uns eine vergleichbare Zusammenstellung deutscher Rap-Frühwerke erspart bleibt.

Bernd Cramer

Konzert-Junkie & Vinyl-Liebhaber. Schreibt über Musik, ohne zu Architektur zu tanzen.