Überall stehen Konzertveranstaltende derzeit vor der Herausforderung, Musikevents unter Einhaltung der Covid-19-bedingten Sicherheits- und Hygienestandards durchzuführen. Während vielerorts OrganisatorInnen aktuell noch aufgrund des großen Aufwandes oder dem damit einhergehenden finanziellen Risikos noch davor zurückschrecken, entsprechende Veranstaltungen auf die Beine zu stellen, wurde im niedersächsischen Lüneburg nicht lange gefackelt, sondern binnen weniger Wochen sogar ein komplett neues Open-Air-Konzept ins Leben gerufen: der Lüneburger Kultursommer. Hierbei handelt es sich um ein Mischkonzept aus Konzerten, Kino und Theater-Aufführungen, darüberhinaus wurde zusätzlich auch noch ein Biergarten auf dem Gelände integriert, der bei Bedarf öffnet. Dadurch, dass der Kultursommer etwas außerhalb und quasi „auf der grünen Wiese“ stattfindet, war es den Veranstaltern letztendlich möglich, unter Berücksichtigung der aktuell gegebenen Abstandsvorschriften eine feste Infrastruktur zu installieren, die im Endeffekt einem typischen Festivalgelände ähnelt. Das Herzstück bildet hierbei eine große Bühne für die Live-Performances, vor der sich zunächst Stühle und etwas weiter dahinter Bierzelt-Garnituren befinden. Dahinter wiederum ist eine Reihe für Fahrzeuge reserviert, so dass die gelegentlich stattfindenden Filmvorführungen parallel auch als Autokino genutzt werden können. Alles in allem ein aus meiner Sicht sehr stimmiges Konzept, in dem allerdings auch eine Menge Aufwand steckt.
Ein klarer Vorteil dieses Konzeptes ist hingegen, dass sich hier auch unterschiedliche Veranstaltungsarten miteinander verbinden lassen. So wurde am Abend unseres Besuches eine Kombination aus Kino und Konzert geboten: Während zunächst THE HONEY RYDERS die Gelegenheit bekamen, dem Publikum die Songs ihres jüngst auf dem Label Clouds Hill erschienenen Debüt-Albums „Have you heard the news“ live zu präsentieren, sollte im Anschluss der 1972 gedrehte Kult-Film „Rocker“ des Regisseurs Klaus Lemke gezeigt werden. Zwar haben THE HONEY RYDERS aufgrund ihrer Herkunft ebenso wie der Film einen klaren Hamburg-Bezug, was ihren Sound betrifft, würde ich sie jedoch auf subkultureller Ebene eher bei den Mods als bei den Rockern einordnen. So ließen einige Lieder Erinnerungen an die UNDERTONES aufkommen, während sich in einem Lied wie „Lose that girl“ auch mal eine THE CLASH-Gitarren-Referenz erkennen ließ und in anderen Stücken wie „Hey Hey Hey“ oder „Married“ wiederum unverkennbare Merseybeat-Einflüsse durchschimmerten. Zwar war der Band ihre Spielfreude zweifelsfrei anzumerken, so richtig überspringen wollte der Funke auf das Publikum – sieht man einmal von einer Gruppe frenetisch feiernder Fans aus dem Umfeld der Bandmitglieder ab – allerdings nicht. Dies lag allerdings teilweise daran, dass das Konzert mit vielleicht 40–50 Zuschauern eher spärlich besucht war und diese auch noch so verstreut saßen, dass so etwas wie Konzertatmosphäre nur schwer aufkommen konnte. Insofern bleibt zu hoffen, dass es sich an diesem Abend um eine Ausnahme gehandelt hat und die übrigen Veranstaltungen des Lüneburger Kultursommers besser angenommen werden. Denn was hier innerhalb kürzester Zeit unter Corona-Bedingungen aus dem Boden gestampft wurde, ist einfach nur großartig. Und wenn man ehrlich ist: Viel näher als hier wird man einem typischen Open Air-Feeling in diesem Sommer vermutlich nicht mehr kommen.