STARMARKET zählen mit elf Jahren Vergangenheit im Rücken schon zu den alten Hasen des Emo/Indie-Rock. Doch wo viele Bands von damals mittlerweile die Flinte ins Korn geworfen haben und neuere Acts in den Startlöchern stecken geblieben sind, schafften es die vier Schweden, so manch Sturm und Flaute heil zu überstehen. Von der ehemaligen Band ist mittlerweile zwar nur noch Sänger Fredrik Brändström übrig, aber das hindert sie nicht daran, auch heute noch Songs ihrer ersten Platten zu spielen – sehr zur Freude einiger alter Fans, die beim Tourauftakt der Band in der Astra-Stube dabei waren. Der nette Laden in Altona war bis zum Bersten gefüllt, so dass wir uns bereits vor dem Konzert dazu entschlossen, das Interview im Anschluss daran zu machen.
Nach dem Konzert gesellten sich Sänger Fredrik und Drummer Pontus mit mir an den Tisch, um über Vergangenheit, Gegenwart, das neue Album und das komplizierte Geflecht der Nebenprojekte zu sprechen. Frederik wirkte bereits ein wenig erschöpft, vielleicht auch betrunken, was zur Folge hatte, dass seine Antworten recht knapp ausfielen, während Pontus, der nebenbei noch bei TIGER LOU die Stöcke schwingt, bereitwillig und umfassend meine Fragen beantwortete und des Öfteren auch Frederik aushalf.
Erklärt mal zunächst, wer von Euch in welchen Bands und Projekten verstrickt ist!
Pontus: Es ist ein großes Durcheinander. Der eine spielt hier Gitarre, dort Schlagzeug und dort wieder was anderes. Ich spiele neben STARMARKET noch bei TIGER LOU und THE CRYSTAL COMMITTEE Schlagzeug und bei TORPEDO Gitarre/Backing Vocals, bei THE CRYSTAL COMMITTEE singt außerdem Frederik mit, der früher übrigens auch Bass und Cello gespielt hat.
Tatsächlich, auch schon in Bands?
Fredrik: Ich habe früher Cello gespielt, aber heute nicht mehr. Ich bin in einer Familie aufgewachsen, wo alle Instrumente gespielt haben, und habe somit schon viele Sachen ausprobiert. Aber ich habe nie in einer Band Cello gespielt – damals war ich noch zu jung. Ich habe mit acht Jahren angefangen und mit 15 aufgehört. Als Teenager möchte man spannendere Sachen machen als Cello spielen.
Lebt Ihr dann ausschließlich von der Musik? Oder woher nehmt Ihr Euch die Zeit für so viele Bands bzw. Projekte?
Pontus: Durch die Musik können wir nicht alle Rechnungen bezahlen, und deshalb haben wir alle noch feste Jobs nebenher. Aber wir versuchen, uns so viel Zeit wie eben möglich für die Musik zu nehmen, damit wir auch auf Tour gehen können. Und dafür haben wir relativ „offene“ Jobs, wo man sich auch mal zwei Wochen Urlaub nehmen kann, um durch Deutschland zu touren.
Aber zu den Bands gehört ja nicht nur das Touring, sondern auch Zeit fürs Proben und Songwriting. Zudem handelt es sich bei den „Zweitbands“ ja um ziemlich hochkarätige Sachen…
Pontus: Ja, natürlich. Man muss einfach versuchen, sich die Zeit zu nehmen. Ich persönlich arbeite beispielsweise noch zusätzliche Stunden in einem Kindergarten. Aber die Musik hat bei mir auf jeden Fall den Vorrang. Sei es ein Konzert, das Proben oder eine Tour. Das verlangt natürlich auch, dass ich dann in meiner Freizeit so viel wie möglich arbeite, um es mir leisten zu können, ein Musiker zu sein. Denn das Equipment ist in Schweden wahnsinnig teuer!
Fredrik, bei STARMARKET bist Du ja der einzige, der von der Startbesetzung noch dabei ist!
Fredrik: Ja, seit elf Jahren! Da ist es offensichtlich, dass sich Dinge verändern, wenn die Mitglieder im Laufe der Jahre ausgetauscht werden. Aber die Songs sind das Wichtigste.
In der Tat steht Ihr nie still, und so kann man auf jeder Platte Veränderungen heraushören. Sind diese Veränderungen nur eine Folge der Besetzungswechsel oder beabsichtigt?
Fredrik: Es hängt wohl hauptsächlich damit zusammen, dass man mit der Zeit andere Musik hört und sich ständig weiterentwickelt. So sind die Veränderungen eher natürlich. Guck Dir zum Beispiel die BEATLES an, die als Sixties-Rockband anfingen und zehn Jahre später wie eine andere Band klangen. Das Wichtigste ist, stets neue, interessante Songs zu schreiben.
Schön ist, dass Euer Live-Set trotz der wechselnden Bandmitglieder nicht nur aus neuen, sondern auch aus alten Songs besteht. Karl Larsson hat mit seiner zusammengesuchten Band ja fast nur neue LAST DAYS OF APRIL-Songs einstudiert…
Fredrik: Ich glaube, es hat damit zu tun, dass wir unsere alten Songs noch immer mögen. Wenn wir die alten Songs hassen würden und nur noch neue Songs spielen würden, dann… äh…
Pontus: Wahrscheinlich überwindet man irgendwann den Punkt, wo man die alten Songs hasst und nur noch neue Sachen spielt. Dann kann man sich dafür bedanken, wenn man alle Alben durchmischen kann. Es ist auch gegenüber dem Publikum fairer, da viele Leute eher die alten Alben mögen.
Fredrik: Genau, hast Du heute die Reaktionen im Publikum gesehen?
Pontus: Eben! Man trifft zwar vielleicht nicht jedermanns Lieblingssong, aber ich denke, dass auch nicht alle Zuschauer das neue Album besitzen. Wenn ich selbst zu einer Show gehe, freue ich mich auch, wenn sie die Songs mischen. Das zeichnet meiner Meinung nach einen guten Liveact aus. Und schließlich hat man als Band auch einen Job zu erfüllen – schließlich bezahlen die Zuschauer für die Tickets.
Fredrik: Man muss immer an die Zuschauer denken. Früher habe ich das nicht gemacht. Da habe ich nur die Songs gespielt, die mir gefielen.
Was für Musik hört Ihr zur Zeit selbst?
Pontus: Ich muss eine Band aus Schweden wirklich in den Himmel loben: THE JE NE SAIS QUOI. Natürlich mag ich die Musik auch, weil sie meine Freunde sind, aber ich finde, dass sie eine der besten schwedischen Bands zur Zeit sind. Sie sind wirklich modern, mixen gute Musik und sind ein super Liveact.
Und ansonsten gefallen mir zur Zeit noch eine weitere Band aus Schweden, namens SILVERBULLIT und THE ARCADE FIRE aus Montreal, Kanada sehr gut. Sachen, die ich schon immer gerne gehört habe, sind u.a. BRUCE SPRINGSTEEN und SONIC YOUTH.
Fredrik: Ich stimme mit Pontus weitgehend überein.
„Abandon time“, Euer neues Album, klingt sehr kompakt, wobei die Songs gleichzeitig rockig und aufgrund der Songstruktur auch ziemlich poppig sind. Ähnlich wie MOTORPSYCHOs „Let them eat cake“.
Fredrik: Ja, das kommt hin. Aber das Hauptziel war eigentlich nur, Songs zu schreiben, die man gerne live spielt, weil das letzte Album mehr ein Studio-Album war, und weil ich denke, dass wir eher eine Live-Band sind.
Pontus: Und vor allem war es uns wichtig, Songs zu schreiben, die man auch live spielen KANN, und an denen auch das Publikum Spaß hat, sie live zu sehen.
Ihr habt ja den Emo/Indie-Hype gut überlebt, wobei viele andere Bands auf der Strecke geblieben sind, während andere inzwischen riesige Hallen füllen. Seid Ihr froh, nach wie vor dabei zu sein, oder ärgert es Euch manchmal, dass der große Durchbruch ausblieb?
Fredrik: Ich habe uns nie richtig als Teil der Hardcore/Emo-Sache gesehen, sondern fand, dass wir immer ein wenig anders klangen. Und deshalb galt für uns auch nur weiterzumachen und unser Ding durchzuziehen. Es ist natürlich immer leicht zu sagen, wir wollen es „indie“ halten, wenn man nicht richtig groß wird. Aber wenn ich für mich spreche, ist es tatsächlich so, dass ich Shows wie heute Abend vorziehe. Man kann jeden einzelnen sehen und kriegt die Reaktionen des Publikums mit. Es wünscht sich natürlich jeder viele Besucher, und keiner hat Bock, vor zehn Leuten zu spielen. Aber wir waren ja schon öfters mit großen Bands unterwegs, und ich mag es lieber auf einem kleinen Level.
Dann kann mal also darauf hoffen, dass es die nächsten zehn Jahre so weitergeht?
Pontus: Ja, wir machen weiter, bis wir auf der Bühne mit einem Herzinfarkt zusammenbrechen. Haha!
Ich gehe selbst auch lieber auf kleine Konzerte, wo ich den Eindruck habe, ein Part der Show zu sein. Und wo ich nach dem Konzert zum Merchandise-Tisch gehe und eine CD von einem Typen aus der Band kaufen kann, anstatt in einem Scheiß-Stadion ’ne CD von einem Marktschreier zu bekommen. Ich finde es klasse, nach der Show zur Bar zu gehen, ein Bier zu trinken und mich mit Leuten aus dem Publikum zu unterhalten. Ich hasse Rockstars, die denken, sie stünden über dem Publikum. Was soll so was?
Kommen wir noch mal kurz auf das neue Album zu sprechen: was hat es mit dem Song „Cologne“ auf sich?
Fredrik: Es geht nicht speziell um Köln, sondern vielmehr um das Leben auf der Tour, wenn man mit dem Bus über die Autobahn fährt. Da bedeutet das Autobahn-Symbol plötzlich so etwas wie der „Highway“ bei BRUCE SPRINGSTEEN – es ist so etwas wie das Symbol der Veränderung und Freiheit.
„Cologne“ habe ich dabei ausgewählt, weil das Wort gut aussieht und gut klingt. Und zudem interessiert mich die Geschichte von deutschen Städten wie Düsseldorf und Köln, wo in den Siebzigern ja musikalisch einiges los war. Als ich das letzte Mal in Köln unterwegs war, fand ich die Innenstadt mit ihren Einkaufsläden aber saulangweilig.
Pontus: Oh, da stimme ich aber nicht zu! Ich liebe Köln! Wir haben mit TORPEDO erst vor zwei Tagen dort gespielt. Das Publikum war immer großartig, und ich habe dort bereits zum vierten Mal gespielt. Und der Dom ist so imposant!
Fredrik: Ich bin den Dom schon zweimal hochgelatscht.
Ich kann Köln auch nicht leiden.
Pontus und Fredrik: Hahaha!
Aber das hängt eher mit der Borussia aus Mönchengladbach zusammen…
Pontus: Achso!
Das war’s – wollt Ihr noch etwas hinzufügen?
Pontus: Keep on coming to the shows and keep on loving us!