Bereits mit ihrem Debütalbum konnten die Belgier von SOULWAX eine gewisse Aufmerksamkeit erlangen – jedenfalls bei mir. Irgendetwas an dem in sanftem Blauton gehaltenen Cover sprach mich damals sofort an: die blauen Turnschuhe, die oben links im Bild zu hängen scheinen, fast beiläufig, fast zu perfekt. War das gestellt? Oder einfach ein zufällig eingefangenes Stillleben? „Leave the story untold“ hieß das Album – ein Titel, der insofern auch thematisch gut passte.
Musikalisch fügten sich SOULWAX damals stimmig in ihre Zeit ein. 1996 waren die großen Meilensteine des Grunge („Ten“ von PEARL JAM, „Purple“ von STONE TEMPLE PILOTS, „Siamese dream“ von THE SMASHING PUMPKINS, „Dirt“ von ALICE IN CHAINS) längst gesetzt, doch der Sound war weiterhin präsent. SOULWAX kamen zwar nie an die großen Namen der damaligen Zeit heran – vielleicht auch deshalb tauchte ihr Debüt bald regelmäßig in den Second-Hand-Regalen auf, die damals noch so etwas wie die physischen Suchmaschinen der Musikwelt waren.
Der zwei Jahre später erschienene Nachfolger „Much against everyone’s advice“ gefiel mir dann sogar noch besser – vielleicht, weil sich die Band stilistisch weiter geöffnet hatte. Streicher, Samples, Triphop- und Drum’n’Bass-Einflüsse, dazu ein Hauch Stadionpop – all das fand hier plötzlich seinen Platz. An den Reglern saß kein Geringerer als Dave Sardy, bekannt von BARKMARKET. Doch was danach kam, verlor ich aus den Augen, auch wenn SOULWAX in Belgien weiter regelmäßig in den Top Ten landeten.
Umso erfreulicher, rund 30 Jahre nach dem Debüt, plötzlich ein neues Album in meinem Promo-Posteingang zu entdecken. Kein Zögern, kein Vorhören – einfach bestellen und überraschen lassen.
Und siehe da: Stillstand hat es in der Zwischenzeit nicht gegeben. Der Opener „Pills and people gone“ klingt opulent, mit moduliertem Gesang und einem Sound, der sofort im Hier und Jetzt ankommt. Noch lässt sich nicht genau erahnen, wohin die Reise geht, doch mit „Run free“ zeichnet sich langsam eine Richtung ab: dunkle, synthiegetränkte Referenzen an die Achtziger und Neunziger, an DEPECHE MODE oder NINE INCH NAILS – nur eben in light. „Gimme a reason“ verrät zudem das Faible der Band für den glitzernd-kühlen Futurismus à la DAFT PUNK, während „New earth time“ an 2Step-Elemente erinnert, die man von den CHEMICAL BROTHERS kennt.
Der frühere Grunge-Sound mit Gitarren und analogen Drums ist weitgehend verschwunden – oder zumindest in ein elektronisches Gerüst eingewoben. Was mich anfangs irritierte, wuchs mit jedem Hördurchgang. SOULWAX klingen 2025 anders als 1996, aber gerade das macht ihren Reiz aus. Ihre zahlreichen Nebenprojekte scheinen das Songwriting eher beflügelt als verwässert zu haben. Vielfalt ist geblieben – nur das Klangbild hat sich weitergedreht.