SIGHTS & SOUNDS – Monolith

Letztens ist mir klar geworden, dass das Leben zum Musikhören eigentlich viel zu kurz ist. Mal ehrlich, wann soll ich die mehreren hundert Tonträger, die sich in meiner Bude stapeln, denn hören? Bei einer durchschnittlichen Spielzeit von sagen wir mal 40 Minuten pro Tonträger und einer groben Schätzung von 800 Langspielplatten und CDs, die ich momentan besitze, müsste ich folglich mehr als 22 Tage lang rund um die Uhr Musik hören, um einmal in den kompletten Genuss meines gesamten Musikfundus zu gelangen. Da ich aber durchschnittlich sieben Stunden pro Nacht schlafe, eine tariflich vereinbarte Wochenarbeitszeit vom 38,5 Stunden habe, diversen zeitaufwendigen Hobbys fröne und zu allem Überfluss auch noch einige meiner Tonträger mehrmals hören möchte, werden nach dieser Milchmädchenrechnung einige Platten und CDs bis zu meinem Eintritt ins Rentenalter warten müssen, bis sie wieder den Weg in meine Gehörgänge finden.
Und dann kommt hier auch noch ein Album wie „Monolith“ von SIGHTS & SOUNDS an, das mit einer unverschämten Spielzeit von 64 Minuten meine akribische Lebensplanung wieder einmal um mehr als eine Stunde nach hinten wirft! Eigentlich müsste ich die CD dafür konsequenterweise verfluchen und wutentbrannt auf dem nächsten Scheiterhaufen verbrennen. Aber ich will mal nicht so sein und diesem monumentalen Werk eine faire Chance geben. Und siehe da, es lohnt sich! Denn was COMEBACK KID-Rampensau Andrew Neufeld hier mit seinem neuen Bandprojekt zeigt, weiß gleichermaßen zu überraschen und zu begeistern. Zu überraschen, weil man von den Bandmitgliedern in Anbetracht ihres bisherigen musikalischen Schaffens (neben dem bereits erwähnten CK-Frontmann spielen hier noch Leute der Punkrock-Band SICK CITY sowie der Metalcore-Truppe FIGURE FOUR mit) einen derart komplexen, teils epischen Sound nie und nimmer erwartet hätte. Irgendwo zwischen progressivem Post-Core, Alternative-Pop und Emo machen es sich die Kanadier bequem und liefern 13 Stücke ab, die zwar nicht sperrig sind, die jedoch ihre Zeit brauchen, um beim Zuhörer tatsächlich anzukommen. Dabei überrascht vor allem Andrew Neufelds Gesang, der hier unglaublich vielfältig rüberkommt und zeigt, dass in dem Mann viel mehr als nur ein x-beliebiger Hardcore-Schreihals steckt.
Vor allem für Freunde später THRICE, AFI, THURSDAY oder DRIVER SIDE IMPACT könnte „Monolith“ eine der großen Überraschungen dieses Jahres werden. Da sollte man der Band auch schon mal die lange Spielzeit des Albums verzeihen.

Bernd Cramer

Konzert-Junkie & Vinyl-Liebhaber. Schreibt über Musik, ohne zu Architektur zu tanzen.