RECOIL, das Nebenprojekt des ehemals vierten DEPECHE MODE-Mitglieds Alan Wilder, war zunächst als Antidot zur Arbeit mit seiner damaligen Hauptband gedacht, um aus dem enggeknüpften Korsett des Pop-Wave Formats zu entfliehen. Musikalisch ist ihm das auch gründlich gelungen: keine Spur mehr von griffigen Drei-Minuten-Songs die so etwas wie eine Klimax oder gar Struktur erkennen ließen; vielmehr wabern elektronische Klangteppiche ziellos durch den Raum und werden einzelne Songs nur verschlussblendhaft ein- und ausgefadet. Die Gesangsstimme ist fast durchweg weiblich und ziemlich soullastig besetzt, was der unterkühlten Architektur der „Stücke“ immerhin ein wenig Leben einhaucht.
Fühlt man sich beim ersten Song dank der Chill-Out-haften Grooves direkt in einen Beach-Club versetzt, wird mir schnell klar, dass nicht zuletzt diese Art der Unterhaltungsmusik einer der Gründe ist, diese weitläufig zu meiden. Weiter geht´s mit etwas mehr DEPECHE MODE-gefärbtem Sound, dafür untermalt mit furchtbarem Rumgestöhne, dessen Sinn sich mir musikalisch wie semantisch völlig entzieht. Höhepunkt der Platte ist dann ein Song, in dem es Alan Wilder tatsächlich gelang, Sandra zu verpflichten, auch wenn sie sich hier hinter dem Künstlernamen Maggie Estep versteckt. Gerechterweise muss man sagen, dass es sich bei dieser Werkschau immerhin um eine gesamte Dekade handelt und einige Trip-Hop-Beats und Elektropassagen damals bestimmt ganz fresh waren, trotzdem rechtfertigt das meiner Meinung nach nicht diese Zusammenstellung beziehungsweise eine Veröffentlichung eines „Best Of“. So, nun muss ich erst mal ein wenig DEPECHE MODE als Gegenmittel zu RECOIL hören.