You are currently viewing PUNCHERS PLANT – Keine Lust, Teil einer Generation zu sein

PUNCHERS PLANT – Keine Lust, Teil einer Generation zu sein

Dass guter melodischer Hardcore nicht immer nur aus den USA, sondern auch aus München kommt, haben PUNCHERS PLANT im vergangenen Jahr mit ihrer EP "Homesick" bewiesen. Darauf befinden sich sechs Songs mit allem, was das Genre zu bieten hat: Eingängige Gitarrenmelodien, ein kraftvolles Rhythmusfundament, mitreißende Singalongs und nicht zuletzt wohldurchdachte Texte, in denen es sich überwiegend um sozialkritische Themen dreht. Und das Schönste daran: Die EP kann man auf der Seite http://www.homesickep.com komplett, legal und vor allem kostenlos herunterladen.

Bevor sich die Bandmitglieder im Oktober wieder in den Tourbus schwingen, um Shows in Deutschland, Tschechien und den Niederlanden zu spielen, baten wir Sänger Philip noch schnell zum Interview.

Erzähl uns doch bitte zunächst etwas über eure Historie. Seit wann gibt es PUNCHERS PLANT? Woher kennt ihr euch, und wie seid ihr auf die Idee gekommen, eine Band zu gründen?

PUNCHERS PLANT gibt es seit 2005. Wir kommen alle aus derselben Gegend im Osten von München, daher kannten wir uns teilweise schon, bevor wir zusammen im Proberaum standen. Andy (Gitarre), Jasper (Drums) und Phil (Gitarre) hatten schon vorher ein kleines Bandprojekt zusammen gehabt und haben Beni (Bass) und mich (Philip, Gesang) dann dazu geholt. Wir wollten von Anfang an eigene Songs schreiben, das hat uns irgendwie alle wahnsinnig fasziniert. Der kreative Prozess beim Musik machen, das Schaffen von etwas Neuem war für uns neben den Liveshows eigentlich immer der Hauptantrieb, das Band-Ding durchzuziehen.

Ihr selber bezeichnet eure Musik schlicht und einfach als "New School Punkrock". Was genau versteht ihr darunter? Gibt es bestimmte Bands, die euch maßgeblich beeinflusst haben?

Mit unserer Mischung aus New School Punkrock und Melodic Hardcore stehen wir in der Tradition von Bands wie STRIKE ANYWHERE, den frühen RISE AGAINST, IGNITE, ANTI-FLAG, BOYSETSFIRE und vielen mehr. Das sind unsere maßgeblichen Einflüsse. Diese Bands haben den Punkrock der Anfangstage und den Hardcore aus Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre konsequent weiterentwickelt und den Weg geebnet für die Musik, die wir heute machen. Wir mögen es einfach, wenn harte Songs mit sozialkritischen Texten eine gewisse Eingängigkeit behalten und spannend arrangiert sind. Wir verbringen enorm viel Zeit damit, neue Songs regelrecht zu konstruieren und bis ins letzte Detail zu arrangieren, damit sie live und auf Platte ihre volle Wirkung entfalten können. Inzwischen haben wir uns da mental ziemlich freigeschaufelt, probieren einfach jede Idee aus, sprechen dann darüber und entscheiden gemeinsam. Das hilft uns dabei, nicht immer die Genre-Stereotypen zu wiederholen, sondern etwas wirklich Neues zu schaffen. Momentan arbeiten wir z.B. an einem Song, dessen Verse im 9/8 Takt ist. Erst diese total abgefahrene Idee hat dafür gesorgt, dass sich der Spannungsbogen zum Chorus hin so richtig entlädt. Das mag für Punkrock vollkommen untypisch sein, dient aber zuletzt unserem Song. Letztlich ist das alles, was zählt, nur so kann sich Musik weiterentwickeln.

Auch, was Veröffentlichungen betrifft, scheint ihr offen für neue Wege zu sein. Eure aktuelle EP "Homesick" habt ihr gar nicht erst ins Presswerk geschickt, sondern direkt zum kostenlosen Download ins Netz gestellt.

Die Idee hinter dem kostenlosen "Homesick"-Download war, möglichst viele potenzielle Hörer auf uns aufmerksam zu machen und für unsere Musik zu begeistern. Uns war es dabei wichtig, nicht nur ein paar Songs online zu stellen, sondern eine komplette EP inklusive Artwork und Songtexten anzubieten, in allen Dateiformaten von mp3 bis CD-Qualität. Das war das umfangreichste D.I.Y.-Projekt, das wir je in Angriff genommen haben. Als wir die Scheibe dann kurz nach der Veröffentlichung in sämtlichen Szeneblogs und Fanzines gefunden haben und bereits in der ersten Woche über 1000 Menschen aus der ganzen Welt das gute Ding runtergeladen hatten, waren wir uns sicher, dass die kostenlose Veröffentlichung eine gute Idee war. Mit einer normalen CD hätten wir nie im Leben in so kurzer Zeit so viele Menschen erreicht.

Wie steht ihr denn generell dem schwierigen Thema Musikdownloads gegenüber?

Was das Thema Musikdownloads angeht, so sehen wir das relativ entspannt. Man kann diese Entwicklung nicht rückgängig machen, also bleiben einem nur zwei Möglichkeiten: entweder man beschwert sich über die ungerechte Welt und versucht, mit vollkommen unwirksamen Rechtsmitteln dagegen anzukämpfen, oder man arrangiert sich damit und sucht nach den Vorteilen in dieser neuen Situation. Wir haben uns für den progressiven Weg entschieden, unsere Musik gezielt über das Internet zu vermarkten und so unseren Bekanntheitsgrad enorm zu steigern.

Sollte Musik als Kulturgut deiner Meinung nach generell frei zugänglich sein?

Innerhalb dieser sehr komplexen Diskussion vertreten wir schon die Ansicht, dass Musik als Kulturgut im besten Fall frei zugänglich sein soll, damit auch Menschen aus niedrigen sozialen Schichten nicht auf Kultur verzichten müssen. Das kann aber nur funktionieren, wenn der Künstler selbst überlebt. Wenn ich mir die prekäre Situation ansehe, in der sich selbst international bekannte Bands befinden, dann besteht hier ein wirkliches Problem. Ein gewisses Werbebudget ist nötig, um gute Bands medial zu pushen. Indie-Labels haben diese Kohle aufgrund des eingebrochenen Marktes nicht mehr, ebenso wenig wie der Künstler selbst. Wenn wir nicht in einem Sumpf an digitalem Mittelmaß ertrinken wollen, muss gezielt in die Förderung von unbekannten Künstlern und kleinen Labels investiert werden. Sonst gibt es in zehn Jahren nur noch Bands von Majorlabels auf der einen Seite und Millionen von kleinen Bands auf der anderen Seite, die außer ihren hundert Facebook-Fans niemand kennt.

Mir ist aufgefallen, dass eure Texte oftmals recht pessimistisch bzw. verzweifelt beginnen, aber dennoch zum Ende hin eine Aufbruchstimmung verbreiten. Wie schafft ihr es, euch selber in Zeiten von Klimakollaps, Turbokapitalismus und drastischen Einschnitten in sämtlichen sozialen Bereichen diesen Optimismus zu bewahren?

Gerade die Texte auf "Homesick" tragen alle eine sehr persönliche Note und sind oft wirklich in eher düsteren Situationen entstanden, in denen ich mit der Welt um mich herum nicht mehr wirklich klar gekommen bin. Musik machen und Texte schreiben macht es uns möglich, unseren Frust zu kanalisieren. Wir haben keine Lust, Teil einer Generation zu sein, die irgendwo zwischen "Generation unbezahltes Praktikum" und "Generation Porno" in die Geschichte eingehen wird. Wir haben mehr zu bieten als das und vor allem haben wir ehrliche Antworten auf die drängenden Fragen unserer Generation junger Europäer. Ich weiß durch unsere Touren und den Kontakt mit anderen Bands, die in ihren Texten etwas aussagen, dass wir mit unserer Ansicht nicht alleine sind. Das gibt Kraft und hilft uns, einen gewissen Optimismus zu bewahren. Der wiederum fließt dann in die Songtexte ein und ruft dazu auf, nicht in Selbstmitleid und Resignation zu verharren, sondern mit beiden Händen zuzupacken und den Karren gemeinsam aus dem Dreck zu ziehen. Wer, wenn nicht Künstler und Musiker, könnte in der eigenen Generation so etwas bewirken?

In Kürze geht ihr wieder auf Tour, die euch quer durch Deutschland sowie nach Holland und Tschechien führen wird. Welche Erwartungen habt ihr an den Trip?

In erster Linie sind wir unglaublich froh, dass wir so eine tolle Tour auf die Beine stellen konnten. Ohne die Hilfe zahlreicher Fans und Freunde an allen Orten wäre das nicht möglich gewesen (hier ein spezieller Riesendank an Claas). Wir werden viele neue Songs von unserer kommenden Platte spielen und sind gespannt auf die Reaktionen vom Publikum. Eigentlich ist eine Tour so unberechenbar, dass man gar nichts Konkretes erwarten kann. Wir hoffen eigentlich nur, neue Freunde in der ganzen Welt zu gewinnen und Menschen mit der Musik und der Message von PUNCHERS PLANT in Berührung zu bringen. Für uns gibt es keinen besseren Lohn, als wenn irgendjemand nach dem Konzert zu uns kommt und sagt, dass ihm oder ihr das gerade wirklich etwas bedeutet hat.

PUNCHERS PLANT Tour 2011:

29.09. Aulendorf (D) – irREAL Bar
01.10. Holzminden (D) – U-Rock
10.10. Hamburg (D) – Rote Flora
11.10. Göttingen (D) – Nörglbuff
12.10. Amsterdam (NL) – Winston Kingdom
13.10. Würzburg (D) – Club L
14.10. Valasske Mezirici (CZ) – Music Bar Lira
15.10. Ostrava (CZ) – Chliv
16.10. Tabor (CZ) – Orion Music Club
20.10. München (D) – Feierwerk (Sunny Red)

http://www.punchers-plant.de

Bernd Cramer

Konzert-Junkie & Vinyl-Liebhaber. Schreibt über Musik, ohne zu Architektur zu tanzen.