Das Label Saddle Creek ist immer schon Ausrufungszeichen genug, in ein Album reinzuhören. Erst recht, wenn man eines der beiden einzigen in 2006 dort erscheinenden Alben in den Händen hält. Mit Country, Folk oder Songwritertum, egal ob traditionell, alternativ oder modernisiert, hat man es bei „Dark light daybreak“ nicht zu tun. Dafür gehen NOW IT´S OVERHEAD viel zu eigensinnig vor. Man ist eher an die neue kanadische Szene erinnert. Hinter NOW IT´S OVERHEAD steckt Andy LeMaster, der nicht nur die Songs schreibt, sondern fast alle Instrumente selbst einspielt und auch die gesamte Studioarbeit leistet. Verstärkung erhält er u.a. von Maria Taylor und Orenda Fink, die, wie auch die restlichen „Band“-Mitglieder, dezent im Hintergrund bleiben, sich dem Konzept unterordnen und so ein souveränes Mannschaftsbild abgeben.
Gegenüber dem ob seiner Verschroben- und Ungehörtheit beieindruckenden Vorgänger „Fall back open“ wirken die Songs hier deutlich fokussierter. Weniger Restfolk, mehr Rocksounds, mehr Licht, aber auch mehr Dunkelheit, weniger Zwielicht. Im eröffnenden „Let the sirens rest“ wird man unweigerlich an die tragenden Songs von FILTER erinnert, ohne deren Bombastsound. Eine fast poppige, sehr getragene Melodie weht über Echogitarren, Synthies knarzen im Hintergrund, eine magere Beatbox klappert den stoischen Rhythmus dazu. Klasse!
Indiegitarren eröffnen „Estranged“, ein entspannter Mid-Tempo-Beat und viele Uuuhs und Oooohs im Hintergrund lassen angenehmes Shoegazer-Feeling aufkommen (erinnert sich jemand an die späten RIDE?). Mit „Walls“ kommt zum ersten mal eine etwas beunruhigende Stimmung auf. Ein synkopierter Beat prallt auf eine beharrliche Basslinie (sagt das Presseinfo und hat vollkommen Recht). Dazu wieder der getragene, oft mehrstimmige Gesang, schwermütige Soundscapes und jede Menge toller Gitarrenspielereien aus Indie, Rock und Pop. Erst Song Nr. 4 „Believe what they decide“ und 5 „Night vision“ schwelgen in bisher gewohnter Melancholie. „Type A“ jedoch führt mit tightem Walzertakt schnurstracks zurück in die neue LeMastersche Klangwelt. Der Titelsong vereinigt das vorher gehörte mit knackigen Beats, Klangflächen aus Synthies und Gitarren, sowie hymnischen Gesang zu einem fast bombastischen, düsteren Abgesang. Doch schon schimmert wieder Licht durch die dunklen Wolken, und ein warmer Lufthauch streicht über die Haut, wenn „Meaning to say“ einschmeichelnd aus den Boxen pluckert. In einer gerechteren Welt wäre das ein kleiner Hit! Irgendwie schreit dieser Songs nach einem kanckigen Club-Remix….. Folk bekommt man aber auch noch zu hören. Im nur mit akustischer Gitarre, Handclaps, Billig-Beatbox und sparsamen Synthies arrangiertem „Let up“ zeigen NOW IT´S OVERHEAD, dass man auch heute, mehr als 30 Jahre nach LED ZEPPELINs „Going to california“, Folk für Nicht-Folker machen kann. Das abschließende „Nothing in our way“ ist an sich der konventionellste Song des Albums und könnte so auch auf einem TRAVIS-Album erklingen. Selbstredend wird die fast behäbige, selbstzufriedene Stimmung zum Ende hin mit düsteren Soundscapes „aufgelockert“, so dass man sich in den letzten Sekunden des Album angenehm an die noch hörbaren RADIOHEAD erinnert.
Dieses Album ist in seiner Gänze nicht beim ersten Hören zu erschließen. Hierzu braucht man Geduld, Zeit, Muße und diese ganz bestimmte Stimmung eines einsamen Abends. Doch diese Investitionen rechnen sich!