Die Neunziger Jahre kriechen zurück ins Bewusstsein. Was vor einigen Monaten nicht mehr als ein vages Gefühl war, noch bevor kürzlich auch der Musikexpress ähnlich titelte, wird langsam aber unaufhaltsam immer deutlicher. Der große 80er Boom geht seinem Ende entgegen, die Gitarren werden wieder ausgepackt und, so Gott will, vielleicht bald sogar Hosen wieder über den Stiefeln getragen.
Mitten hinein in dieses Gefühl ist nun „Timothy´s monster“ wieder da. Das vierte Album von MOTORPSYCHO, will man „Soothe“ dazu rechnen, erschien dieser Tage als schmucke Deluxe-Box, in der neben einem Poster, einem Booklet mit ausführlichen Linernotes, insgesamt vier CDs enthalten sind. Zwei davon nimmt, wie gehabt, das reguläre Album für sich in Anspruch. Ich werde hierüber versuchen, mich kurz zu halten, wenn es auch Bände zu füllen gäbe über „Timothy´s monster“, das unter sämtlichen Alben, die ich kenne und kannte, auf dieser Welt mein allerliebstes ist:
Ein hundertminütiges Meisterwerk, von den ersten, zunächst unbeholfen klingenden Tönen von „Feel“ bis hin zum fulminanten Schluss von „The golden core“. Noch weit entfernt von der technischen Perfektion, die MOTORPSYCHO heute zu eigen ist, bildete „Timothy´s monster“ das spannende Bindeglied vom noch recht rauen Vorgänger zu späteren Großtaten. Man bräuchte sicherlich zwanzig Scheiben, um unter einen Hut zu bekommen, was die Norweger mit diesem Album geschafft haben.
Da stehen fröhliche Folkssongs neben wunderbaren Schrammelgitarren, Indiehits wie das herrliche „Kill some day“ oder „Wearing yr smell“ neben dem brutalen „Grindstone“, das bis heute das wohl härteste Stück der Band ist. Und dann gibt es die Epen, die diese Band wie keine zweite beherrscht, das mächtige „Giftland“ beispielsweise oder “ The wheel“, das die Band bis heute live gern bis zu einer halben Stunde ausdehnt. Zu guter Letzt das genannte „The golden core“, das zentrale Stück des Albums, das in Wahrheit das bessere „Vortex surfer“ ist und dessen Ende auch Bands wie MOGWAI vor Neid erblassen ließe. Als dieses Album Ende 1994 erschien, brauchte ich ein halbes Jahr lang kein anderes mehr und bis heute hat dieses Album nichts von seiner Kraft und seinem unwiderstehlichen Charme eingebüßt.
Einen seltenen Einblick in das künstlerische Schaffen einer Band liefert dann die dritte CD der Box. Die nämlich enthält eine sehr interessante Pre-Version des Albums mit anderer Tracklist und zum Teil gänzlich unbekannten Songs. Und wäre das Album seinerzeit, wie ursprünglich geplant, in dieser Form erschienen, es wäre sicherlich immer noch ein außergewöhnliches, aber nicht das übergroße Album geworden, das es letzlich wurde und ist. Schuld daran ist nicht allein das Fehlen des Openers „Feel“, der Single-Auskopplung „Wearing yr smell“ wie auch des 16 minütigen „The wheel“. An deren statt stehen drei andere Stücke auf der Tracklist, unter anderem das später als B-Seite veröffentlichte „On the toad again“. Darüber hinaus zwei weitere Stücke, die ebenfalls sehr stark an den Sound der „Demon box“ erinnern. In der Gesamtheit ist das Zwischenergebnis von „Timothy´s monster“ längst nicht so rund wie das fertige Werk, doch liefert es in der Nachbetrachtung ein wunderschönes Bild des Stücks Weg, den diese Band seinerzeit gegangen ist. Der im übrigen sehr anschaulich auch in beiliegendem Booklet beschrieben ist.
CD4 schließlich ist vollgepackt mit B-Seiten, Sampler- Beiträgen, Demos und weiterem unveröffentlichten Material. Auch auf dieser CD gibt es eine Menge zu entdecken, davon abgesehen, dass es mitttlerweile eine äußerst aufwändige und kostspielige Angelegenheit wäre, die Songs alle auf den regulären Releases wieder zusammenzutragen. Auch wenn es auf dieser CD einiges an Füllmaterial gibt, ist sie immer noch eine willkommene Zusammenstellung und rundet dieses Paket ab. Ein Pflichtkauf für Fans, Neu- und Wiederentdecker.