Wenn das alles nun noch nebst Wasser und unter freiem Himmel geschehen wäre.
Ein Saal mit Tribüne, halb bestuhlt, stickig und schwarz. Eine Traube schiebt sich tanzklar vor die Bühne. Ein Abend in viel Vorfreude gepackt seit dem Auftritt Rings im Juni auf Kampnagel. Dennoch ist sie mit etwas Ungutem behaftet, das ich weiter unten schildere.
Die Einleitung erbringt eine Person namens ANSTAM, die ich eher fehl am Platz finde. Mein Gehör weigert sich gegen das Viele aus Subbass-Gegrummel. Andere höre ich reden, als warten sie eher auf die anderen drei; ich auch.
Diesmal betritt sie als erste die Bühne, die Stimme ganz rechts hinter einem der drei hüfthohen Kästen mit zwei schmalen Tischleuchten, unter denen das neongelbe Künstlerarmband während des Soundmodulierens gut zur Geltung kommt. Sie ist in einem grazilen, mit Freude und Konzentriertheit bestücktem Körper untergebracht, der meist für höhere Klänge und den Einsatz des einzigen elektrisch organischen, sechssaitigen Instruments zuständig ist. In ihrer Präsenz und ihrem lieblichen Klang lässt sie mit dem Auftritt vor zwei Monaten hier im Kampnagel eins zu eins übertragen, super! Schon da sagte mir und meinem Seelenohr ihr Erklimmen des Mikrostativs zu.
Ihre Bandpartner folgen ihr, stellen sich hinter ihren Tischen mit Bauteilen und Kabeln auf und wippen, bedanken, drehen und zeigen sich eher zurückhaltend mit kurzen Ansagen; auf jeden Fall schüchterner als bei ihrem Set als Duo. Sie treten technisch versiert und mit kleinen Fehlern auf, die Bronsert sympathisch in dem Hinweis, es sei ihre dritte Show, zu entschuldigen versucht.
Der Sound ist so stark, es lebt ein musikalischer Heuschnupfen auf. Kräftiges Dröhnen führt mich in körperhafte Erschütterungen. Aus der tiefen Überfülle des Voracts pendelt sich ein adäquates Maß aus Fülle und Leere ein. Die Albumtracks erfahren live eine Umarbeitung, wohinter sich visualisiert Hände, Moderatlogo, Zeichentrickstierkampf, Universum, explodierende Gesteine hauptsächlich in schwarz und weiß auf zwei Leinwände legen. Ihre Umsetzung von Studio auf Bühne finde ich cluborientiert tanzbar und gelungen. Das unter freiem Himmel wäre bei 1200 Zuschauern der Abschuss.
Nichtsdestotrotz sträubt sich in mir eine ungeklärte Positionierung seitens MODESELEKTOR bzw. Gernot Bronsert zum Thema Nationalismus/patriotisches Gemeinschaftsgefühl, der sich in der Dokumentation von 2006 „Speaking in Code“ in englischer Sprache entweder und hoffentlich ungünstig ausdrückt oder einfach unreflektiert das Wedeln der schwarz-rot-goldenen Flagge anpreist. Dies ist mitunter an dieser Stelle in der Konzertkritik zu erwähnen, da es mich missstimmte, dieses Konzert unvoreingenommen zu besuchen oder mich über den Erwerb der Platte zu erfreuen. Ich bin jedoch nach Recherche in einem Berliner Plattenladen und an dem Merchstand nicht überzeugend aufgeklärt worden und warte auf sie nach dem Act vergeblich, sodass dieses Thema hier nicht weiter diskutiert werden kann. Die Quellen ergaben lediglich, dass sie sich eine solche Äußerung nicht vorstellen können und auf den Schalk im Nacken der Künstler hinweisen, wobei sie die Dokumentation selbst nicht kennen.