Tiefensuche forever
Kein Wandel, kein Fortschritt, kein Nichts? Stagnation auch nicht, aber stehen geblieben sind sie auch nicht. Sie haben sich gemacht, irgendetwas machte sich an ihnen, führte sie wieder näher zusammen. Ihre Suche auf einem Weg, der sich abseits von vorne und hinten, links und rechts in der Musik bewegt: die eigentliche, einzigartige Tiefe eines Sounds: Ein Unterschied in Warm und Kalt fern von immergeraden Kicks. Drei Köpfe mit Dialekt, drei Körper mit rundem Kreuz oder überkreuzten Beinen: APPSELEKTOR.
Während der ersten Albumrunde „II”:
Eigentlich ist es ein langweiliges Reunion von zwei Künstlergruppen. Ich komme aus der Peripherie APPARATs, deswegen splitte ich die Gruppe in 1 gegen 2 und erhebe: Was sollen MODESELEKTOR neben APPARAT? Ich erkenne kaum eine besondere Note, die sie unterscheidbar von bspw. „Devil’s walk“ macht. Schade. Seit „Silizium“ und „Duplex“ höre ich APPARAT, besuche „Krieg und Frieden“ im diesjährigen Hamburger Frühling. Annahme: Vielleicht hätte Sascha Ring nicht die Ruhe oder es fehlte an gegenseitiger Inspiration für die Tiefe in der Soundbastelei. Aber wenn ich mich in das Meer des Liveauftritts im Kampnagel zurück begebe, sehe ich eine ähnliche Tiefe der Schwere aus Glück und Traurigem. Vielleicht gehören sie schon immer zusammen. Sie sorgen gemeinsam für Poppiges, das sie auf den Punkt bringen. Alles ist mehr laid-back als ein hektisches Gesechzehntel.
Während der weiteren Plattenrunden „II”:
Was soll MDSLKTR auf einem Overall? Es ist eindeutig der Rückhalt für Ring durch die Härte und Überzeugung der beiden dreckig sympathischen Frontsäue Bronsert und Szary.
Rings mit dem Lauf der Zeit versierterer Gesang und Berliner Geschichte an Elektro halten sich hier die Stange und beleuchten Tramstrecken auf anderen Straßen Berlins, fackeln in der Gerade des Vierer-Takts über die Hauswände. Sphärische oder pumpende Beats zerren an ihren doppelten Fensterläden und lassen eine Brücke zu Dubstep schlagen. Hinter dem Album versteckt sich eine Elektrogeschichte, mitunter auch aus Parade und Clubs jenseits der öffentlichen Linie, was ich der pulsierenden Kraft der Bässe und den vorgezogenen, geschlossenen Akkorden, die nach vorne führen und das Lied im Roll halten, zuschreibe.
Der erste Skip „The mark“ birgt eine Trailerfunktion, „This time“ agiert als rundes Outro, das ebenso die Taste für Auto-Reverse ist. „Gita“ ist neben „Bad kingdom“ und „Damage done“ der Hit, was den jungen Staub von „Devil’s walk“ hinfortbläst. Es stellt Fragen und überdenkt: „I saw you (…) fragile”. „Ilona“ taucht wieder mit einem quietschenden Lauf analog zu dem Beat unter die Oberfläche. Es erinnert von den Sounds her an eine frühe BJÖRK und vermischt Fröhlichkeit mit Ernsthaftigkeit.
In „Bad kingdom“ höre ich einen Sound jubeln und ein souliges Ohh im auch extrovertierteren Gesang. „Milk“ ist für mich ein ruhiger Clubtrack, der seine Höhepunkte versteckt und sich über zehn Minuten erstreckt, doppelt so lang wie die restlichen: Eine Pause in der Elektronik. „Therapy“ setzt die Rhythmik von „Milk“ fort, führt ihr eine prägnantere Akzentuierung hinzu, weshalb ich das längste Stück als Teiler und lediglich Auf- und Vorbereiter von „Therapy“ bzw. des Albums verstehe.
Nach all ihren Runden „II”:
Alle Tracks erfüllen zuhauf ein Klima, das ich ahne, aber nur schwerlich in Worte fassen kann. Sie machen mit sich Glückliches in ihrer Weise aus. Dennoch behaupte ich, dass das Album in sich zu wenig variiert, was mir nach mehrmaligem Hören über Tage verteilt auffällt und sich in breiige Langeweile niederschlägt. Gegen sie kämpft die Neugierde, die Umsetzung auf der Bühne zu erleben.
Es überbleiben einfache Textzeilen, die in ihrer Melodie dem Hüh und Hott meines zu frischen Sommernachmittags aus Güssen und Sonne am Ende des Julimonats 2013 widerstehen. Es sind einfache Harmonisierungen, ist oktav-changierender Gesang im Chorus. Ich resümiere: Sind sie sich zu ähnlich, aber dafür gut? Sie könnten doch alles andere aufgeben und zusammenbleiben, für immer.