Göttingen zieht jetzt auch die Großen. Vor ein paar Wochen prangerte noch groß auf der Titelseite des NME: LASSARD – the next big thing! Zugegebenermaßen eine anrüchig zweifelhafte, aber nichtsdestotrotz beachtenswerte Anerkennung, wenn die Bild-Zeitung unter den Musik-Magazinen ausgerechnet eine deutsche Indieband zur nächsten großen Sache erklärt. Immerhin plündert der UK-Meinungsmacher doch vorzugsweise in den eigenen Reihen. Aber zurück nach Göttingen. Das Café Kreuzberg ist brechend voll. Gut sechshundert Leute drängen sich vor der kleinen Bühne. Göttingen ist schlicht überfordert bei Bands dieser Größenordnung. Den ersten Support TOLA aus Schweden, ein Mann mit Gitarre, der unter anderen Umständen Sänger der Band KOGO ist, mit denen LASSARD schon letztes Jahr auf Tour waren, verpasse ich leider. Zu lang die Schlange vorm Café Kreuzberg und schleichend langsam der Einlass. Aber schon der zweite Support CHELSY glänzt. Die Band aus Mühlheim tritt heute ohne ihren Schlagzeuger vorwiegend akustisch auf. Es ist stickig heiß im Café Kreuzberg, kondensierter Schweiß tropft von der Decke als schließlich LASSARD die Bühne betreten. Mir kommt kurz der Gedanke, mich in die ersten Reihen vorzukämpfen. Aber die Aussicht, zwischen rosa Wölkchen verzückter Teenie-Girls zu stehen, scheint mir doch zu befremdlich. Wissend bleibe ich hinten und finde schließlich einen kuscheligen Platz neben zwei Frischverliebten, deren Blicke zu sagen scheinen: Hach, das könnte unser Song werden! Seufz. Junge Liebe muss schön sein. LASSARDs melodietrunkener Indie-Pop trägt seinen Teil dazu bei. Eine viel zu enge Bühne teilt sich der sympathische Fünfer aus Hamburg. Man erahnt, wie viel Herzblut Akustikgitarre Olli in die zweistimmigen Refrains legt. Steffen am E-Piano kann man leider auch nur erahnen, da Olli platzbedingt die Sicht versperrt. Wie gesagt, eine viel zu kleine Bühne für eine viel zu große Band. Umso erstaunlicher, dass LASSARD es immer wieder schaffen, die erdrückende Menschenmenge zu vergessen und eine intime Gemütlichkeit zu erzeugen. Als ob man in einem kleinen linken Café mit fünfzig Gästen irgendwo in einer kleinen unscheinbaren Studentenstadt sitzt. Wie machen sie das nur? Zufällig trifft es sich, dass Göttingen heute die letzte Station ihrer scheinbar nicht enden wollenden Tour ist. Dementsprechend ist die Band in Feierlaune und sich auch nicht zu schade, nach dem Konzert mit ihren Fans noch das unerschöpfliche Göttinger Nachtleben zu erkunden. Keine Berührungsängste, keine Starallüren, einfach nur eine Band zum Anfassen. Ein rundum gelungener Abend!
Na gut, am Ende sollte ich vielleicht doch noch einräumen, dass einige Tatsachen eventuell etwas überhöht dargestellt wurden, was jedoch nichts an der umwerfend unverschämten pop-verliebten Melodieseligkeit von LASSARDs Musik ändert. Und wer mir hier mangelnde Objektivität unterstellen will… nun, den kann ich wohl nicht davon abhalten. Support your local Chefredakteur!