JOHNNY ROCKET – Dance embargo

Seltsam, normalerweise ist unser Schreiber Michael M. die Rockabilly-Koryphäe beim Blueprint-Fanzine und ruft mit der Regelmäßigkeit eines Schweizer Uhrwerks sämtliche Tonträger dieser Kategorie aus unseren intern kursierenden Promo-Verteilerlisten ab. Doch diesmal: Keine Reaktion von ihm! Schweinerei! Alles muss man selber machen! Und obwohl ich mit Rockabilly (von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen) nicht allzu viel anfangen kann, entpuppt sich dies bei JOHNNY ROCKET im Nachhinein als Glücksfall. Denn diese Band aus den Tiefen des Ruhrgebietes gibt sich nicht damit zufrieden, die zigtausendste STRAY CATS- oder THE METEORS-Kopie zu sein, sondern wagt immer wieder den Blick über den Tellerrand und scheut sich nicht, ihren Sound mit flotten Punk´n´Roll-Elementen ordentlich aufzumöbeln. Passend dazu stellen sie bereits im Opener „Fuck the scene“ unmissverständlich klar, das sie nichts von eingefahrenem Szene-Denken halten. Scheiß auf intolerante Typen, die sich aufgrund ihrer langjährigen Szenezugehörigkeit für etwas Besseres halten und dabei gar nicht merken, dass sie in Wirklichkeit nichts weiter als ein wandelndes Klischee einer vermeintlichen Outlaw-Subkultur sind, die längst in ihrer eigenen Selbstherrlichkeit ersoffen ist. Ein schönes Statement, wenn man bedenkt, dass Rockabilly-Texte ansonsten zumeist von Alkohol, Frauen und Hotrods handeln. JOHNNY ROCKET haben mit „Dance embargo“ stattdessen ein wirklich frisches und abwechslungsreiches Album veröffentlicht, das sich irgendwo zwischen DEMENTED ARE GO und THE BONES einordnen lässt. Und das selbst einen Rockabilly-Muffel wie mich überzeugt.

Bernd Cramer

Konzert-Junkie & Vinyl-Liebhaber. Schreibt über Musik, ohne zu Architektur zu tanzen.