Es gibt in meiner Sammlung nicht viele Live-DVDs, aber nicht eine, die ich auch nur annähernd so oft geschaut habe wie die des Trios um den schwedischen Jazz-Pianisten Esbjörn Svensson. Dementsprechend groß war die Vorfreude auf diesen Abend, an dem ich die Herren dann endlich erstmals in natura sehen soll. Die Kesselhalle ist mehr als gut gefüllt, und pünktlich um halb neun entern die drei Musiker die Bühne.
Verhaltenener Beginn, minutenlanges Herantasten, und dann ist es da, das Titelstück des aktuellen Albums „Tuesday wonderland“, und sofort ist man mitten im Geschehen. Applaus allerorten, als die ersten bekannten Töne erklingen. Eine halbe Stunde dauert schließlich der erste Block des Konzerts, in dem insgesamt drei Stücke, unter ihnen das fulminante „Definition of a dog“, untergebracht sind, und in dem die Band nicht einmal zu spielen aufhört. Die Stücke werden auseinandergerissen und miteinander verbunden durch lange Improvisationsphasen, in denen die Band zahlreiche Effekte einsetzt, ihre Instrumente verfremdet, Sphären und Räume erschafft, sich immer wieder verliert, nur um plötzlich mit einer unwiderstehlichen Melodie wieder zuzugreifen.
Kurze Verbeugung, die nicht weniger virtuosen Kollegen Dan Berglund (Kontrabass) und Magnus Öström (Schlagzeug) vorgestellt, und leise geht es mit „Beggar’s blanket“ und im Folgenden mit „Brewery of beggars“ weiter. Erneut werden die Stücke durchzogen und teilweise verbunden durch lange Improvisationen, und über die gesamte Spielzeit bestätigt sich, was ich von der Konserve zu Hause kannte. Es ist ein stetes Wechselspiel aus Experimenten und ihren wunderbaren, fast schon poppigen Melodien, die live eine Intensität erreichen, wie sie allerhöchstens noch RADIOHEAD zu erschaffen in der Lage sind. Das Publikum sizt die meiste Zeit regungslos, doch spürt man die Spannung. Hier und da ist zu Hören, wie manchen Leuten staunende, fassungslose Laute entfahren, denn wie ich werden sie Zeuge dieses berauschenden, sich selbst immer wieder in einen Rausch spielenden Trios. Als die Band nach guten anderthalb Stunden zum ersten Mal die Bühne verlässt, gibt es stehende Ovationen.
Anschließend als erste Zugabe „Goldwrap“, das ich bereits auf ihrem Album als potentiellen Single-Kandidaten ausgemacht hatte, wenn die Band denn welche veröffentlichen würde, auch dieses auf etwa zehn Minuten ausgedehnt, danach ein weiterer Abgang und sogar noch größeres Getöse bei den Anwesenden.
Die Herren lassen sich schließlich zu einer zweiten Zugabe überreden, die heißt „Dodge the dodo“, ist vom 1999er Album „From gargarin’s point of view“ und bis heute der größte Hit der Band. Und sie zelebriert ihn gebührend. Zwischendrin eine dieser Phasen, in der der Kontrabassist seinem Instrument Töne entlockt, die näher an einer Metal-Gitarre als an einem Kontrabass sind, zudem weitere Ausflüge der drei Musiker und schließlich die Rückkehr zum umwerfenden Thema dieses Stückes. Und wieder Schluss, dieses Mal endgültig.
Nach dem Konzert herrscht dichtes Gedränge am Merchandise-Stand, unglaublich viele CDs werden gekauft. Und die kann man sich dann auch von den Herren Svensson, Berglund und Öström persönlich signieren lassen. Nett sind sie also auch noch.