Ob wir uns an die Hand genommen und für den Weltfrieden gebetet hätten, wollte ein Freund von mir wissen, nachdem ich ihm ein kleines Live-Video vom ERLEND ØYE -Konzert vom Kampnagel zugeschickt hatte. Ja, solche Gags sind naheliegend, wenn man die etwas hippieske Darbietung mit seinem neuen Projekt LA COMITIVA oberflächlich betrachtet. Genauso, wie Gereon Klug die KINGS OF CONVENIENCE in einem Hanseplatte-Newsletter vor ein paar Jahren als Wellnässer bezeichnet hatte.
Was man über ERLEND ØYE aber genauso pauschal sagen könnte, ist der Erfolg, den er mit allen Projekten einfährt, die er startet. KINGS OF CONVENIENCE, WHITEST BOY ALIVE, seine elektronischen Solosachen, seine italienischsprachigen Solosachen, seine Zeit als DJ, als Teil einer Reggae-Band, als Gastmusiker in zahlreichen anderen Bands und seit ein paar Jahren nun auch mit LA COMITIVA, was so viel bedeutet wie „Leute, mit denen man täglich abhängt“. Und tatsächlich handelt es sich bei LA COMITIVA nicht nur um Erlends neues Bandprojekt, sondern auch um seine italienische Community, verlagerte er seinen Lebensmittelpunkt doch vor mittlerweile zwölf Jahren nach Sizilien. Zum einen, weil Erlend oft ein bisschen getrieben wirkt, zum anderen aber auch, weil es ihm in Norwegen schlicht und einfach oft zu kalt war. Also packte er seine Mutter ein und zog zusammen mit ihr nach Syrakus. Da ließ die neue Band nicht lange auf sich warten, und so traf man sich zum gemeinsamen Jammen am Strand oder auf dem Feld hinterm Haus, nachdem man mit dem gemeinsamen Essen fertig war. Also doch alles ein bisschen Weltfrieden und Tralala?
Natürlich kommt bei ERLEND ØYE & LA COMITIVA manchmal eine allzu heimelige Wohlfühlstimmung auf. Dies ist nicht nur dem harmonischen Zusammenspiel und dem oft mehrstimmigen Gesang geschuldet, sondern auch der indiefolgigen Instrumentierung. Zugleich fließen bei seiner neuen Band aber auch so viele musikalische Einflüsse mit ein, dass eben nicht nur Italo-Feeling aufkommt, sondern genauso auch nach Lateinamerika entführt wird, Filmmusik zitiert wird und Detroit-Techno mit akustischen Instrumenten dargeboten wird – „For the time beeing“ war neben dem „Lockdown blues“ sicherlich eines der Highlights des heutigen Abends. Beendet wurde der Abend am Bühnenrand mit einer unverstärkten Version des Stückes „Valdivia“, der ihn und seine Band anschließend durch die Menge und die Tribüne hinauf, bis ins Foyer des Veranstaltungssaals führte, wo der Abend dann tatsächlich abgeschlossen wurde. Wobei: ganz Feierabend war dann doch noch nicht. Eine gute halbe Stunde lang erfüllte er zusammen mit seiner Comitiva noch jegliche Signatur- und Selfie-Wünsche, bis er sich schließlich doch verabschiedete, weil das Bett rief. Auf eine geruhsame Nacht an alle!