Hamburg im Jahre 2008: Der Stadtteil Ottensen unterlag in den letzten Jahren nach und nach der Gentrifizierung und hat sich seit seiner Zeit als alternatives Quartier in den 80er Jahren komplett verändert. Anstatt dass Bauwagenplätze und besetzte Häuser das Bild des Stadtteils prägen, hetzen heutzutage Besserverdienende aus der Medien- und Werbebranche durch das Mercado-Einkaufszentrum, bewohnen kernsanierte Luxus-Lofts mit Quadratmetermieten jenseits der 15 Euro-Grenze und schlürfen ihren Latte Macchiato auf dem Alma-Wartenberg-Platz. Ottensen ist für die Punkszene verloren…
Ganz Ottensen? Nein! In der Lobuschstraße setzt sich ein von Punks genutztes Hausprojekt tapfer zur Wehr und trotzt – ähnlich eines comicbekannten kleinen, gallischen Dorfes – seit Jahren der gnadenlos voranschreitenden Umstrukturierung des Stadtteils. Tatsächlich könnte man beim Betreten der Konzertkneipe im Erdgeschoss des an einer Straßengabelung gelegenen Altbaus meinen, die Zeit wäre hier stehengeblieben. Die Eintrittspreise bewegen sich im absolut fairen Rahmen, das kalte Astra gibt es hier noch für einen Euro, und die Nietengürtel, die hier spazieren getragen werden, stammen nicht von h&m, sondern aus kleinen Kellerläden in den ehemaligen Hausbesetzervierteln der Hansestadt. Kurz gesagt stellt die Lobusch trotz des rauen aber herzlichen Umgangstons seiner Besucher einen kleinen Hort punkrockerischer Glückseligkeit dar.
Wenn dann noch eine feine Band wie CUT MY SKIN auf ein kleines Konzert vorbeischaut, ist dies durchaus ein Grund, sich den Termin im Kalender anzustreichen und sich auf ein großartiges Konzert zu freuen. Zuvor stellten die Hamburger Lokalmatadorinnen von PERLEN AN DIE SÄUE jedoch unsere Nerven gehörig auf die Probe: Unmelodisches Punkgebolze, für die Pogo-Fraktion zwar sehr bewegungsfördernd, für meine Begleiter und mich aber eher am Rande der Unerträglichkeit. So verschanzten wir uns lieber an der Theke und harrten dort aus, bis die Luft rein war. Nach einer kurzen Umbaupause fingen dann CUT MY SKIN um die ehemalige SCATTERGUN-Sängerin Patti Pattex an zu spielen und gaben uns das, weswegen wir gekommen waren: Schönen, rotzigen 77er Punkrock mit tollen Melodien und dem nötigen Druck. Guter Auftritt, gute Stimmung und das Bier floss in immer schnelleren Strömen die Kehle hinunter. Wären die Mädels von der Vorband nicht gewesen, könnte man wohl von einem nahezu perfekten Abend sprechen. Aber selbst das tapfere kleine Gallierdorf aus den Asterix-Heften hat ja seinen ungeliebten Barden.