COLLAPSE UNDER THE EMPIRE – Fragments of a prayer

Ein besonders beeindruckendes akustisches Erlebnis in diesem Jahr hatte ich im Februar in St.-Peter-Ording: Ich hörte absolut nichts. Ich kann mich nicht erinnern, schon mal zuvor einer derart vollkommenen Stille ausgesetzt gewesen zu sein. Es war, als ob die Kälte, der graue Himmel und das Watt jedes Geräusch für immer absorbiert hätten. Musiker, die vergleichbare Erfahrungen von Weite, Größe und Erhabenheit simulieren wollen (und Cover und Songtitel legen das in diesem Fall sehr nahe), müssen natürlich scheitern – gegen die Stille kann kein Sound anstinken. Aber man kann (wenn man entsprechend waghalsig auftritt) spektakulärer scheitern, als es COLLAPSE UNDER THE EMPIRE auf „Fragments of a prayer“ tun.
Um mich noch weiter in Widersprüche zu verstricken: Eigentlich scheitern COLLAPSE UNDER THE EMPIRE hier an nichts. Sie haben ein, soweit ich es beurteilen kann, perfekt klingendes und sorgfältig arrangiertes Postrock-Album aufgenommen, eins von der ruhigen Sorte. Das Titelstück steht am Anfang und gibt die Marschrichtung vor, von der in den nächsten gut 45 Minuten auch kaum abgewichen wird: Die vielen Schichten perlender Gitarren, bittersüßer Klaviermelodien, eingeflochtener Streicher und Elektronica erzeugen Schönheit vor allem durch Reinheit und Wohlklang. Mir kommt allerdings vieles vage bekannt vor, von MOGWAI- oder EXPLOSIONS IN THE SKY-Platten, die ich mal gehört habe, manchmal auch von den ausladenden Alben, die ich von THE CURE kenne („Disintegration“ und „Bloodflowers“). Und was mal schön war, läuft ja Gefahr, irgendwann nur noch als süßlich empfunden zu werden – genau dieses Problem habe ich hier: Mir ist „Fragments of a prayer“ leider in weiten Teilen zu kitschig. Das fängt bei der rosig-gräulichen Darstellung eines Horizontes auf dem Cover an (sonst ist da nichts), geht weiter bei Liedtiteln wie „Distance“, „Opening sky“, „In the cold“ oder „The great silence“ (wilder kann man mit Zaunpfählen wohl nicht winken) und endet dann eben bei der Musik, die immer ganz genau so klingt, wie es die Titel suggerieren.
Alles passt wunderbar zusammen, nichts steht richtig über, zu selten sticht für mich mal was heraus: In „Closer“ gibt es ein paar beunruhigende Momente, und „180 seconds“ ist ein großartiges Stück, das einem – zumal im Albumkontext – mit seiner gespenstischen Klavierlinie und Beats, die mich an DEPECHE MODE erinnern, den Boden unter den Füßen wegzieht und das wohl ohne Probleme einen Psychothriller oder atmosphärischen Horrorfilm untermalen könnte. „Opening sky“ fällt auch aus dem Rahmen, da hier Gitarren und Beats ganz fehlen (mir gefällt die Musik hier immer dann gut, wenn die elektronischen Elemente überwiegen), aber ab „The beyond“ wird’s in seiner ganzen Pracht einfach zu ermüdend für mich.
Um es noch einmal klarzustellen: Man hört auf „Fragments of a prayer“ ausgewogene und mit viel Liebe zum Detail komponierte Musik von Leuten, die mit Sicherheit genau wissen, was sie tun. Mich wundert auch überhaupt nicht, dass die Künstler hinter COLLAPSE UNDER THE EMPIRE schon einen Soundtrack geschrieben haben (für einen Film über Haie!). In der richtigen Stimmung – auf einer Autofahrt durch eine schöne Landschaft im Urlaub oder so – kann dieser Sound bestimmt bei vielen Hörern bleibende Erinnerungen erzeugen. Aber ich hör mir jetzt erstmal „Altars of madness“ an, damit ich mich wieder fühle wie ein Mensch.