Jason Beck aka CHILLY GONZALES ist so etwas wie der Stefan Raab der Indieszene. Wobei Indie hier weniger zutrifft als der Raab-Vergleich. Denn CHILLY GONZALES kennt wie der Entertainer von Pro7 so ziemlich nichts, wovor er zurückschreckt. Er stellte bereits einen Guinness-Rekord für das weltlängste Klavierkonzert auf, lieferte sich Duelle am Flügel mit Helge Schneider und am Mikrofon mit PEACHES, kombinierte Funk and Soul mit Pianoklängen zu einem Überhit („You can dance“), wurde für die Zusammenarbeit mit FEIST für den Grammy nominiert und coverte an seinem Hauptinstrument artfremde Sachen wie JUSTICE, PHIL COLLINS und DR. DRE. Nebenbei schrieb er Drehbücher, agierte als Schauspieler, Produzent, immer häufiger auch als Rapper und bezeichnete sich in Interviews ganz bescheiden als „musical genius“. Das Entertainen schien ihm dabei oft wichtiger als der künstlerische Anspruch, der Show wegen wurde es auf Konzerten gern auch mal politisch unkorrekt.
Dass CHILLY GONZALES ein Kunstprodukt ist, steht dabei außer Frage. Und so ist jedes neue Album wie ein Griff in die Wundertüte. Das Problem dabei ist jedoch, dass man vorher nicht ahnen kann, ob man beglückt oder enttäuscht wird. Bereits im Jahr 2000 veröffentlichte er beim Berliner Indie-Label Kitty-Yo, bevor er 2004 mit dem vergleichsweise ernsten, zwischen Klassik und Jazz einzuordnenden Instrumentalalbum „Solo piano“ weltweite Erfolge einfuhr und von den Musikjournalisten mit Lob bedacht wurde. Das folgende „Soft power“ war entsprechend dem Albumtitel soft, während der Kanadier, Ex-Berliner und aktuell Wahl-Pariser mit seinem letzten Album „Ivory tower“ die Dancefloors eroberte und sich an Disco-Sounds abarbeitete.
Nicht verwunderlich, dass für sein mittlerweile achtes Album wieder eine neue Idee her musste, um sich stetig weiterzuentwickeln. Auf „The unspeakable Chilly Gonzales“ fusioniert er dabei pompöse Symphoniker-Klänge mit HipHop – Kammerorchester goes explicit lyrics! Unterstützt wurde er von seinem Bruder, dem preisgekrönten Filmmusik-Komponisten Christophe Beck. Das klingt alles spannend und vielversprechend, leider überzeugt mich das Ergebnis geschmacklich gar nicht. Fette Beats und Electronics werden hier durch Glocken und Bläser ersetzt, durch die altbekannte textliche Selbstdarstellung ergänzt und das Ganze mit dem größtmöglichen Pathos eines Klassikkonzertes aufgefahren – inklusive Chorälen. Mit Pauken und Trompeten, sozusagen. Natürlich ist das objektiv gesehen ziemlich interessant, aber im vorletzten Song fragt Gonzales selbst „Who wants to hear this?“ Ich weiß es auch nicht.