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BLAINBIETER – Es geht auch ohne BLUMFELD

Anfang des Jahres landete bei mir eine CD im Briefkasten, die damit beworben wurde, dass hier Mitglieder von BLUMFELD dabei sind. Das weckt natürlich zunächst einmal Aufmerksamkeit, am Ende handelte es sich aber nur um einen zweiten Live-Gitarristen der Hamburger Schule-Mitbegründer. Ist aber im Grunde auch egal, denn BLAINBIETER brauchen den BLUMFELD-Aufhänger im Grunde gar nicht, weil sie auch für sich genommen sehr gut sind und musikalisch außerdem überhaupt keine Gemeinsamkeiten aufweisen. Während die Blumfelder Anfang der Neunziger mit schlauen Texten und schrammeliger Musik zurecht ihre eigene Schublade schufen und im Laufe der Zeit immer mehr in Richtung Schmachtpop verkamen, bieten BLAINBIETER auf ihrem ersten Full Length eine interessante Gratwanderung aus gefühlvollem Pop, monströsen Soundwällen, klassischem Indierock und digitalen Synthie-Sounds. Per Mail wollten wir von Gitarrist Enno ein paar Sachen von der Band erfahren, die vor etwa zehn Jahren eigentlich als Resozialisierungsselbshilfeprojekt gegründet wurde.

[F] Eine grundlegende Frage zuallererst: Ist BLAINBIETER eigentlich ein deutschsprachiger Bandname, englisch oder Mischmasch?
[A] Das ist eigentlich Plattdeutsch und heißt Libelle. Wobei uns diese Uneindeutigkeit des Namens recht passend schien, als wir ihn auswählten. Und ich finde mittlerweile auch, dass die Musik dem Flugverhalten einer Libelle dann und wann recht nahe kommt.

[F] Eure offizielle Homepage ist ja schon ein paar Jährchen veraltet, eher minimal mit Infos gefüllt, auch auf myspace gebt ihr kaum was über euch preis. Wollt ihr der allseits verbreiteten Selbstdarstellung etwas entgegensetzen, oder ist das Internet einfach nicht euer Medium?
[A] Beides trifft zu. Besonders myspace schätze ich nicht sehr mit den ganzen Werbebannern und Eitelkeiten. Das finde ich schon eher schrecklich. Und dann arbeitet man ewig an seiner
Musik, um sie dann als MP3 über Minispeaker auf dem Laptop zu hören. Außerdem finde ich auch diese Form des musikalischen Wettbewerbs durch Aufrufmenge etc. sehr fragwürdig, aber so ist das wohl.
Dieses Kommentare posten… „bist du nett zu mir, bin ich nett zu dir…“ – fürchterlich.
Wobei wir unsere Homepage demnächst wohl tatsächlich mal etwas auffrischen müssten!

[F] Eure myspace-Freunde sind vor allem alte Indie-Bands. Wo fühlt ihr euch musikalisch zu Hause? Was haltet ihr von neuen Bands mit Retro- Einschlag wie z.B. SABOTEUR?
[A] Musikalisch zu Hause fühlen wir uns sicher schon irgendwo zwischen AERIAL M und GODSPEED, mit Einflüssen von SPARKLEHORSE bis zu den KINGS OF LEON. Wobei wir uns nicht an Vorbildern abarbeiten, sondern grundsätzlich einen originären Ansatz haben, was halt so seine Vor- und Nachteile mit sich bringt, aber für uns nicht anders möglich ist. Solche Retro-Bands finde ich immer ganz gut und sympatisch, aber meist zu dicht an den Vorbildern mit zu wenig eigenem Anteil, als dass ich mir sie zu Hause anhören würde. Die wollen ja auch meist irgendwo dabei sein, und da wollen wir schon eher das Gegenteil (wobei ich zu SABOTEUR speziell nichts sagen kann, da ich sie nicht kenne).

[F] In eurem Info wird natürlich zu eurer BLUMFELD-Connection Stellung genommen. Denkt ihr, dass euch der Bezug letztlich Türen öffnen konnte?
[A] Das glaube ich nicht wirklich. Dafür sind wir ja auch musikalisch viel zu weit auseinander. Außerdem macht man mit einer BLUMFELD-Connection bei einigen Leuten ja auch ’ne Tür zu. 😉

[F] Musikalisch seid ihr als Einzelpersonen in den verschiedensten Bereichen unterwegs. Konnte „Nicer dogs“ nur deshalb so vielfältig werden, oder gestaltet es sich eher
schwierig, die ganzen Einflüsse unter einen Hut zu bekommen?
[A] Das geht problemlos, die ganzen Einflüssen mit einzubauen. Da wir die Stücke immer sehr karg und reduziert mit einem Gitarrenloop beginnen, den wir dann abklopfen und langsam auswalzen, ist später sehr schnell klar, was noch dazu passt und was nicht. Sicherlich ist es der Sache auch eher zuträglich, vieles Unterschiedliches zu tun. So lernt man vor allem viel darüber, was man nicht will.

[F] Kann man eigentlich beruflich Musik machen oder damit arbeiten, ohne gleichzeitig das Interesse daran zu verlieren? Was sorgt da für Abhilfe?
[A] Bei der Arbeit selbst sollte ein gewisses Qualitätslevel inhaltlich und klanglich nicht zu oft und lange unterschritten werden, und die konstante Suche nach etwas Neuem hilft auch, einen bei Laune zu halten.
Als Konsument ist es tatsächlich manchmal schwer, noch etwas zu finden, das einen bewegt. Aber dank einer gewissen Grundneugier passiert es zum Glück noch dann und wann. Ab und zu auch darüber, dass einem jemand sagt: „Das, was ihr da gemacht habt, klingt ja wie der und der.“ Und so hört man sich das an, und das eine oder andere ist dann auch wirklich sehr schön und eröffnet einem einen Zugang zu ganz neuen musikalischen Bereichen.

[F] Die musikalische Grundstimmung verändert sich bei BLAINBIETER oft innerhalb eines einzelnen Songs (z.B. „Jackie“). Ist dies ein zufälliger Entstehungsprozess während des Songwritings, oder schwebt euch schon vorher ein konkretes Konzept im Kopf vor?
[A] Das entsteht erst beim Machen. Aber grundsätzlich suchen wir schon danach, wo so etwas in einem Song möglich ist, ohne dass es zu gekünstelt oder anorganisch wirkt.

[F] Eure Songs leben oft von Widersprüchen: analog/digital, alt/neu, Indie/Elektro, Ruhe/Krach. Versucht ihr, durch diese anfängliche Diskrepanz die Songs auch für euch selbst
interessant zu halten?
[A] Auf alle Fälle macht uns das sehr viel Spaß, und wenn man eine Zeit lang an einem Stück arbeitet, stimmt es schon, dass man mehr Wirkung braucht als am Anfang. Wie bei so manch
anderen Dingen auch.

[F] Ich sprach kürzlich mit Rasmus Kellerman von TIGER LOU, der mit seiner Musik immer mehr in Richtung „Filmmusik“ tendieren möchte. Würdet ihr das von euch auch behaupten?
[A] Am Anfang, als wir rein instrumental waren, hat es uns ja eher gestört, dass das immer wieder als naheliegender Kommentar kam. So als ob Instrumentalmusik alleine eben nicht genug sei…
Wie es jetzt ist, gefällt es uns sehr gut. Ich denke, durch die Art und Weise, wie wir an die Musik herangehen, werden wir wohl automatisch immer in der Nähe von „Filmmusik“ bleiben.

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