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ASTAIRRE – Newcomer auf der Überholspur

Seit einiger Zeit macht eine junge Band aus dem Herzen des Ruhrgebiets von sich Reden: Die Debüt-EP „Wir gehen unter – kommst du mit?“ von ASTAIRRE schlug bei so manchem CD-Kritiker ein wie eine Bombe und sorgte für einige Furore. Wo kam die Band so plötzlich her? Um diese Frage zu beantworten, lohnt es sich, zunächst einen Blick auf die musikalische Vergangenheit des Trios aus Bottrop zu werfen. Zusammen mit zwei Freunden brachten Philipp (Gitarre und Gesang), Max (Drums) und Dominik (Bass) unter dem Bandnamen LAKANUKIE eine CD bei dem Label Vitaminepillen Records raus, auf der es deutschsprachigen Melodic-Punk zu hören gab. Doch obwohl die Band schnell zu einem regionalen Bekanntheitsgrad gelangte, sollte das Ende von LAKANUKIE schon bald nahen. Zum einen kursierten aufgrund der Tatsache, dass der damalige zweite Gitarrist eine Ausbildung bei der Polizei begonnen hatte, zahlreiche Anfeindungen und Halbwahrheiten über die Band in einigen Punkforen, zum anderen gab es unterschiedliche Auffassungen über die musikalische Entwicklung der Band.
„Die Auflösung von LAKANUKIE war im Endeffekt ein Gefühlsmischmasch aus der Tatsache, dass wir unter so starken Szene-Anfeindungen die Lust am Musikmachen verloren haben, zum anderen, dass gerade Philipp und ich uns vorstellen konnten, musikalisch noch mal komplett in eine andere Richtung zu gehen; eine Richtung ohne Grenzen, Normen und Konventionen. Einfach einen Sound entstehen zu lassen, ohne Erwartungshaltung, ein völlig neuartiges, eigenes Ding zu machen. Der logische Schritt war ASTAIRRE“, berichtet Max. So entschied man sich schließlich, getrennte Wege zu gehen: Während der damalige LAKANUKIE-Sänger mit CRASH CASINO eine neue Band formierte und der „diffamierte Polizist“ seine Gitarre an den sprichwörtlichen Nagel hing, wagten die übrigen drei unter dem Namen ASTAIRRE einen Neuanfang. Anstatt einen neuen Sänger zu suchen, übernahm Gitarrist Philipp kurzerhand selbst den Gesangspart. War dies von Anfang an so beabsichtigt? „Nein, definitiv nicht“, dementiert Max. „Das blieb lange im Unklaren, oft hatten wir auch noch mit dem Gedanken gespielt, entweder einen sehr starken Gitarristen oder einen sehr guten Sänger als Gitarristen ins Boot zu holen, doch nach unendlich viel Probezeit, Motivation und Geduld hat es auch so funktioniert. Zumal ich dieses Trio-Ding einfach live auch am ehrlichsten und geilsten empfinde.“
So ging es also in Dreierbesetzung weiter, und es entstanden die ersten neuen Songs, die – abgesehen von durchdachten, deutschsprachigen Texten – mit dem recht straighten Punkrock aus LAKANUKIE-Zeiten nicht mehr viel gemeinsam hatten. Max: „Klar war das auch irgendwie so ein Individualitäts-Ding. Gerade mir war es besonders wichtig, mich vom klassischen Punkrock zu lösen, denn viele unserer Einflüsse hatten sich verändert. Das war bei den beiden anderen nicht anders.“ Bassist Dominik ergänzt:„In der klassischen Trio-Besetzung hat man einfach nicht die Möglichkeiten, die man als vier- oder fünfköpfige Band hat. Für mich ist es äußerst reizvoll, mit den uns gegebenen Mitteln möglichst viel aus den Songs heraus zu holen. Und unsere Wurzeln sind in unserem Sound noch deutlich erkennbar, finde ich!“
Aber wonach klingt das neue Soundgewand denn nun? Mit Begriffen wie Post-Core oder Indie-Rock ist man schon mal auf dem richtigen Weg. Auffällig ist jedoch, dass bei sehr vielen Reviews zu ihrer EP als Vergleichsreferenzen die Namen MUFF POTTER und AT THE DRIVE-IN fielen. Zurecht? „Jein. Also, ich kann mir schon vorstellen, wie diese Assoziationen entstanden sind – und es grenzt an Frevel, wenn man sich da nicht geschmeichelt vorkommen würde…“, erklärt Max. „Ich sehe da natürlich Überschneidungen, weil uns die beiden Bands natürlich allzu bekannt sind, jedoch würde ich es mir nicht anmaßen, uns gerade mit den Letzteren in irgendeiner Form auf einer Höhe zu sehen. Müssen wir ja auch gar nicht – wir haben wesentlich mehr Pop-Appeal, stehen also eher auf klassische Arrangements, sind nicht so vertrackt wie sie. Gelegentliche verspielte Ausbruchsversuche sind aber auch bei uns wichtig, um uns vor uns selber auch nicht zu berechenbar zu machen. So ist es auch sehr angenehm: Jeder spielt in seiner Nische, macht sein Ding.“
Auf jeden Fall sahen selbst die großen unter den Indie-Musikmagazinen ein enormes Potential in ASTAIRRE; so wurde die Band beispielsweise von der Visions zum „Newcomer des Monats“ erkoren und bei der Uncle Sally*s-Party durften sie für TURBOSTAAT im ausverkauften Berliner Club Magnet eröffnen. Auch Max war von den zahlreichen positiven Resonanzen ein wenig überrascht: „Prinzipiell wussten wir schon, dass mit der Band was gehen kann, doch mit Sicherheit nicht in dieser Relation. Klar, wussten wir, dass die Aufnahmen schon gut klingen würden und auch das Songwriting gelungen war, aber alles eher nach der Maxime: Weil es uns gefällt, weil wir drauf Bock haben, weil es für uns selber ist. Der innere Drang nach individueller Selbstverwirklichung ist unser Motor, der uns antreibt, nicht die Außenwelt. Wenn ich einen Song schwach fände, für den ich nachher frenetisch abgefeiert würde, müsste ich mich wahrscheinlich schämen.“
Stattdessen sind die Jungs von ASTAIRRE äußerst selbstbewusst bei der Sache und haben mit Art Nouveau sogar ein eigenes Label gegründet, um ihre Tonträger zu veröffentlichen. Sind auf dem Label längerfristig auch Veröffentlichungen von anderen Bands geplant? „Darüber haben wir uns noch keine konkreten Gedanken gemacht“, erläutert Max hierzu. „Art Nouveau ist ein Drei-Mann-Betrieb, der uns zwar alle künstlerischen Freiheiten gibt, aber natürlich nicht ein riesiges Promo-Budget auf den Tisch knallt. DIY war uns speziell am Anfang sehr wichtig, um erstmal alles auszuchecken, wie man auf uns reagiert und um vor allen Dingen nichts aus der Hand zu geben, was wir auch nicht selber regeln können. In erster Linie ist Art Nouveau die ASTAIRRE-Plattform; was man damit machen kann, wird sich zeigen.“ Bevor sich die Jungs aber wieder ins Studio verdrücken, wollen sie zunächst einmal live durchstarten: „Wir stehen gerade vor unserer ersten „Wir gehen unter – kommst Du mit?“-Tour, die uns durch Deutschlands wichtigste Städte führen wird, worauf wir uns auch schon sehr freuen. Es gab zeitweise die Überlegung, für diese Tour noch eine neue EP zu produzieren, was aber zeitlich verdammt eng und stressig geworden wäre, weswegen wir uns dagegen entschieden haben. Voraussichtlich wird es allerdings eine zweite EP zur Frühjahrestour geben, und dann geht die Albumproduktion los.“
Na, da bleibt mir abschließend nichts weiter übrig, als Euch auf die anstehenden Tourdaten hinzuweisen und Euch den Besuch eines dieser Konzerte wärmstens ans Herz zu legen:

14.11.2007 München – 59to1
15.11.2007 Köln – Blue Shell
17.11.2007 Frankfurt – Das Bett
21.11.2007 Hamburg – Logo
23.11.2007 Berlin – Bang Bang Club
29.11.2007 Dortmund – FZW
30.11.2007 Essen – Cafe Nova
21.12.2007 Soest – Sonic

Surftipp:
http://www.astairre.de

Bernd Cramer

Konzert-Junkie & Vinyl-Liebhaber. Schreibt über Musik, ohne zu Architektur zu tanzen.