ANATOL – Rette sich, wer darf

Da hilft kein Rütteln und kein Klopfen… Das Album von ANATOL will partout nicht in den CD-Player passen, was genau genommen auch kein Wunder ist: Es handelt sich hier nämlich um eine reine Vinyl-Veröffentlichung. Und es wird alles aufgefahren, was der anspruchsvolle Plattenjunkie von heute begehrt: Ein sehr schönes, auf rauer Pappe gedrucktes Cover, ein extrem liebevoll gestaltetes Beiheft, ein schickes Poster und das Ganze auch noch sammlergerecht auf 500 Exemplare limitiert. Großartig! Die Aufnahmen der Osnabrücker Band stammen bereits von Ende 2001, da die Lieder aber viel zu gut sind, um sie in der Versenkung verschwinden zu lassen, haben Torben von DUESENJAEGER sowie das Mini-Label Audio Gorilla das letzte Ersparte zusammengekratzt und diesen musikalischen Leckerbissen nun endlich veröffentlicht. Und in der Tat wäre es ein Jammer gewesen, wenn „Rette sich, wer darf“ niemals das Licht der Welt erblickt hätte, feuern ANATOL doch unglaublich gute, energiegeladene Punksongs aus den Rohren. Die Texte handeln vom alltäglichen Wahnsinn des Lebens und erinnern, ebenso wie der Gesang selber, an KNOCHENFABRIK. Songtitel wie „Sauce Polonaise“, „Nachdenken vs. Nachschenken“, „Maul & Heldenseuche“ oder „Es ist so einsam im Kopf, seit das Hirn tot ist“ sprechen eine eindeutige Sprache. Musikalisch geht es meist schnell, aber dennoch stets melodisch zur Sache; gelegentlich wird auch mal einen Gang runter geschaltet und an der Schwelle zum Indie-Rock verweilt, um dann die Tür schlagartig wieder zuzuknallen und sich in einen kleinen Hardcore-Rausch zu spielen. Musikalisch würde ich die Band irgendwo zwischen alten MUFF POTTER und I SPY ansiedeln, wenn ich mir Referenzen aus den Fingern saugen müsste. Aber muss ich ja zum Glück nicht… Das Einzige, was an dieser tollen Platte eventuell zu monieren wäre, ist die Soundqualität, denn nach heutigen Maßstäben hätte man klanglich bestimmt noch etwas mehr aus den Aufnahmen rausholen können. Doch letztendlich passt der ungeschliffene Sound auch wiederum bestens zum Charakter der Band. Und wer sich zwischen den Liedern eifrig an Samples aus dem Film „Absolute Giganten“ bedient, der hat sowieso schon gewonnen.

Bernd Cramer

Konzert-Junkie & Vinyl-Liebhaber. Schreibt über Musik, ohne zu Architektur zu tanzen.