Anlässlich des Auftaktkonzerts des diesjährigen Internationalen Sommerfestivals hatten wir es ja schon erwähnt: Auf Kampnagel beginnen Konzerte gerne spät. Umso erfreulicher schien es zunächst, dass das heutige Konzert von DIE BENJAMINS bereits um acht Uhr angekündigt war. Schließlich will am letzten Abend vor Wochenstart kaum jemand zu spät ins Bett.
Nun gut – los ging es dann doch erst gegen halb neun. Und, ach ja: Vorband. FEIGE FLITTCHEN hieß das Trio, eine gute Freundin erwähnte vor dem Auftritt noch, sie seien „ganz lustig“. Ich würde eher sagen: punkig, indieschrammelig, feministisch – und durchaus stilbewusst. Denn ein Hosenanzug mit Blazer schließt bei FEIGE FLITTCHEN den Punk keineswegs aus. Der erste Song erinnerte ein wenig an „I wanna be your dog“ von den STOOGES, ansonsten bewegte sich der Sound irgendwo zwischen NINA HAGEN, MARLENE DIETRICH, TRIXSI und DIE HEITERKEIT. Die Gitarren waren nur mäßig gestimmt, der Gesang klang in einem Stück wie eine dauerfauchende Katze. Zwischendurch die Ansage: „Ihr seht so heiß aus, der nächste Song handelt von Vögeln.“ Von diesen kratzbürstigen HamburgerInnen dürfte man noch mehr hören.

Dann die Hauptband – oder besser: erst einmal nicht ganz. Zur Eröffnung standen CHARLOTTE BRANDI und Max Gruber alias DRANGSAL allein auf der Bühne, als Duett. Und wir waren verblüfft: Was für Stimmen! Wir hatten beide schon häufiger live erlebt – so gut hatten sie gesanglich selten geklungen. Die vermeintliche Konzert-Eröffnung entpuppte sich als kleines Special Set, in dem sich beide gegenseitig und andere coverten. Schön, aber mit einer Prise zu viel Liedermaching-Charme. Umso größer die Erleichterung, als kurz nach zehn schließlich DIE BENJAMINS in voller Besetzung loslegten.

CHARLOTTE BRANDI am E-Piano und mit Backing Vocals, DRANGSAL an der Gitarre. Dazu Julian Knoth (u.a. DIE NERVEN) am Bass und Thomas Götz (BEATSTEAKS, …) am Schlagzeug. Und im Zentrum: Annette Benjamin, die legendäre Frontfrau von HANS-A-PLAST. Dass sie bereits 65 Jahre zählt, war ihr weder anzusehen noch anzuhören. In ihren Boxhosen sprang sie wie ein Jungspund über die Bühne, scherzte mit dem Publikum, erkundigte sich nach dem Befinden aller Anwesenden – und jagte einen Song nach dem anderen durch den Saal.
Blut geleckt hatte Annette wohl beim Höhnie-Festival 2018 in Peine, als sie erstmals seit 35 Jahren – damals noch mit RAZOR SMILEZ – wieder live auftrat. Die Stimmung dort glich, wie YouTube-Videos dokumentieren, wohl eher einem HANS-A-PLAST-Konzert der Achtziger als dem heutigen Abend vor einem mitgealterten Publikum in Hamburg. Doch weder auf der Bühne noch davor minderte das den Spaß. Zumal sich im Publikum so manch prominente/r Hamburger MusikerIn blicken ließ.
Als das Konzert schließlich endete und das Publikum nach einer Zugabe verlangte, kam Annette noch einmal zurück auf die Bühne. Mit einem Grinsen erklärte sie, dass es sich bei den BENJAMINS um eine Punkband handele – und man schlicht nicht mehr Songs im Repertoire habe. Spätestens in diesem Moment stand wieder die 20-jährige Punkerin von damals vor einem, die das Publikum mit einem schelmischen Lächeln in die Nacht entließ.