RYLEY WALKER in der Elbphilharmonie? Hatte ich den eigenwilligen Singer/Songwriter nicht erst vor einem Jahr im kuscheligen Aalhaus in Altona gesehen? Na gut, es ist schon drei Jahre her, aber dennoch fühlt sich der Schritt in dieses große Konzerthaus zumindest ungewöhnlich an, haftete dem Mann aus Illinois doch bis vor kurzem noch ein gewisser Geheimtipp-Status an. Und genau genommen hat sich das mit seinem vierten Album keineswegs geändert. Denn musikalisch bewegt sich RYLEY WALKER nach wie vor in seinen eigenen Sphären, die ihn so weit von anderen Singer/Songwritern absetzen, dass die Singer/Songwriter-Einordnung auch nur bedingt zutrifft. Stattdessen lässt der junge Amerikaner jegliche Einflüsse in seine Musik einfließen – Grenzen gibt es scheinbar keine. Genau so wenig werden klassische Songstrukturen aufgerufen, wer braucht schon Refrains? Leicht zu hören ist seine Musik sicherlich nicht – zu viele Brüche, zu viele ungewöhnliche Instrumentierungen, zu viel Atonalität. Doch die schrägen Passagen verschaffen dem Album eine beachtliche Langzeitwirkung, und die finalen Klangentfaltungen folgen schließlich noch. Nicht zu verkennen ist dabei auch der kittende Effekt von Walkers warmer Stimme, die das alles zusammenhält.
Am Ende ist der Schritt in den Kleinen Saal der Elbphilharmonie gar nicht so abwegig wie anfangs gedacht, denn auch das Konzerthaus in der Hafencity steht für musikalische Umbrüche und fordert seine Zuschauer gerne mal heraus, von alten Hörgewohnheiten abzurücken. Insofern sei es RYLEY WALKER nur gegönnt, sich auch neuem Publikum zu öffnen. Denn zu bieten hat hat der experimentelle Musiker so einiges.