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Foto: Timo Neuscheler

Kurz & schmerzlos (Juli – September 2019) – CD-Besprechungen in aller Kürze

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Das Altern lässt sich an vielen Symptomen beobachten: die Haare werden grauer, die Hosen enger, Freunde begleiten einen seltener auf Konzerte und Partys. Man könnte sicherlich noch eine Vielzahl von unschönen Veränderungen aufzählen, aber manche Dinge wandeln sich eher nebenbei und fast unbemerkt.
Wusstet Ihr zum Beispiel, dass der Alternative Rock ausstirbt? Nein? Auf dem Reeperbahn-Festival lief ein Film zu dem Thema mit dem Titel „Underground Inc. – The rise & fall of Alternative Rock“. Bei unserer letzten Bandprobe wurde bereits gescherzt, dass unsere Enkel in spe wahrscheinlich die Augen verdrehen werden, wenn Opa mal wieder laute Musik macht. Jaja, die E-Gitarre ist das Akkordeon der Neuzeit – irgendwie aus der Zeit gefallen und altbacken.
Übrigens hat Zardoz inzwischen kaum noch neue Tonträger auf CD. Auch so eine Sache, die nach und nach ausstirbt. Dafür dürfen sich die Nostalgiker über das Revival von Vinyl freuen. Es wird also doch nicht alles schlechter.

ANGELA KINCZLY – „Silent“ ((Label: Ritmo&Blu Records, VÖ: 14.06.2019)
(so) In diesem Sommer/Herbst schien es en vogue zu sein, als Frau ein anstrengendes Album zu veröffentlichen, das natürlich „critically acclaimed“ wird. Leider kann ich mich auch bei ANGELA KINCZLY diesen Kritikern nicht anschließen, wie es auch bei HANNE HUKKELBERG der Fall ist. „Silent“ hat zwar viele Stärken, etwa in der Melodieführung und Stimme, dennoch gerät durch eine starke Verkünstelung dieses Album zu einem zu selbstverliebten denn gut hörbaren Werk, zu häufig wird die Emphase auf die Bedeutung und nicht die Stimmung gelegt, wirkt es zu häufig wie künstlich erzeugte Kunst. Diese Absicht kommt zumindest bei mir so an, auch wenn es ANGELA KINCZLY durch ihre Stimme durchaus ab und an gelingt, einen Bannkreis zu ziehen, in den man hineingesogen werden möchte, vor lauter Klebrigkeit aber auch nicht mehr hinaus findet. (4)
https://www.facebook.com/AngelaKinczly/

BIBI AHMED – „Adghah“ (Label: Sounds of Subterrania!, VÖ: 30.08.2019)
(jg) Gregor von Sounds of Subterrania kann man durchaus als so etwas wie den Botschafter für exotische Musik ansehen. Nachdem sein Label vor mehr als zwanzig Jahren vornehmlich Platten aus den Sparten Punk und Garage veröffentlichte, erweiterte sich das Sortiment recht schnell um weitere Stile wie Funk, Soul, 60s Pop und Noise. Zuletzt kamen mit Künstlern wie der AFRICAN CONNECTION auch Klänge aus Ghana hinzu, und mit BIBI AHMED folgt nun ein weiterer Musiker aus Afrika. Der Gitarrist aus Niger ist außerdem Kopf und Bandleader von GROUP INERANE, hat nun mit „Adghah“ sein erstes Soloalbum veröffentlicht, das einen Mix aus Tuareg Blues, Tamachek Folk und Psychedelic Sahara-Rock darstellt, wenn man sich auf die Angaben im beiliegenden Bandinfo bezieht. Für einen Hörer „westlicher“ Musik fühlt sich das ähnlich an, wie eine Reise in die entlegensten Regionen der Welt. Faszinierend zwar, zugleich aber auch sehr befremdlich. (Ohne Wertung)
https://www.facebook.com/BibiAgadez

CARLOS CIPA – „Retronyms“ (Label: Warner Classics, VÖ: 23.08.2019)
(jg) Vor einigen Jahren noch unvorstellbar werden wir mittlerweile gar nicht mehr so selten auch von Labels wie Warner Classics und Deutsche Grammophon bemustert. In Zeiten von Künstlern wie NILS FRAHM, MARTIN KOHLSTEDT und ÓLAFUR ARNALDS ist das nicht allzu verwunderlich, füllen sie mittlerweile doch problemlos den Großen Saal der Elbphilharmonie vor allem mit jungen Zuschauern. In dieselbe Richtung geht auch CARLOS CIPA, der auf seinem dritten Album neben dem Klavier akzentuiert auch andere Instrumente wie Gitarren, Holz- und Blechbläser zulässt, was für ein wenig Auflockerung in der insgesamt doch recht ernsten und ruhigen Musik sorgt. Trotz der Ergänzung weiterer Instrumente ist „Retronyms“ leider nicht wirklich eine Neuerfindung des Genres Modern Classic geworden. (6,5)
https://www.facebook.com/carloscipa

CULTDREAMS – „Things that hurt“ (Label: Big Scary Monsters, VÖ: 16.08.2019)
(jg) CULTDREAMS aus Brighton klingen ein wenig, als ob LA DISPUTE plötzlich mit Sängerin weitermachen würden. Hat auch ein bisschen was von FOXING und ENTER SHIKARI, mit denen sie schon zusammen auf Tour waren. Hinzu kommen ein paar hallige Effekte aus dem Bereich Shoegazing, das Ganze verbunden mit feministischen und gesellschaftskritischen Texten. Übrigens waren die Musiker/-innen von CULTDREAMS zuvor unter dem Namen KAMIKAZE GIRLS tätig, haben sich aber in Verbindung mit einem stilistischen Wechsel einen neuen Namen zugelegt. Produktionstechnisch übrigens eher rau als glatt geschliffen, was aber wahrscheinlich auch besser zur Attitüde der Band passt. (6,5)
https://www.facebook.com/cultdreamsband

DECIBELLES – „Rock francais“ (Label: Deaf Rock, VÖ: 03.05.2019)
(bc) Das französische Trio (punk)rockt wieder. Und wie! „Rock francais“ ist stellenweise so richtig auf Krawall gebürstet, dank eines nicht unerheblichen Noise-Anteils scheppert es an alles Ecken und Enden. Im Gegensatz dazu findet man aber auch ruhige Lieder wie „Dérailler“, in dem die DECIBELLES sehr melodisch, ja fast schon poppig rüberkommen, woran mit Sicherheit auch die schöne Stimme der Sängerin ihren Anteil hat. Insgesamt eine interessante, wenngleich etwas spezielle Veröffentlichung. (7)
http://de-de.facebook.com/decibellesband/

HANNE HUKKELBERG – „Birthmark“ (Label: Hukkelberg Music, VÖ: 16.08.2019)
(so) File under: Anstrengend. Nein, file under: Sehr anstrengend. All das, was in der Presseinfo als überraschend, besonders, verblüffend oder inspiriert dargestellt wird, ist für mich schlicht nur anstrengend. HANNE HUKKELBERG bietet auf „Birthmark“ eine krude Mischung aus Free-Jazz, Industrial und Songwriterelementen, die sicherlich wert sind, von der Kritik eines hochtrabenden Feuilletons gefeiert zu werden, für mich aber mit wenigen Ausnahmen (das treibende, hypnotische „Rules“ in etwa) schrecklich (ich bleibe dabei) anstrengend ist. Als hätten BJÖRK und TORI AMOS sich zusammengetan, um das anstrengendste Album der Welt zu schreiben. Der Versuch dürfte als gelungen angesehen werden. Dabei hat HANNE HUKKELBERG doch eigentlich eine sehr passable Stimme, mit der man mit etwas weniger Kunstgedanken sehr viel anfangen könnte. Für mich ist das leider überhaupt nichts. (3,5)
https://www.facebook.com/hannehukkelberg/

I DREW BLANK – „Interesting life choices“ (Label: Späti Palace, VÖ: 28.06.2019)
(jg) Ich mag das Label Späti Palace nicht nur wegen seines guten Namens, sondern auch, weil sie immer geschmackssicheren Releases im besonderen Format (meistens Tapes, manchmal Vinyl) veröffentlichen. Zudem ragen die dortigen Bands aus der Masse heraus, weil sie oft so herrlich alt klingen. Alt im Sinne von Old School, das spiegelt sich im Sound von Bands wie DIE WÄNDE wider, aber auch I DREW BLANK klingen angenehm schräg und garagig, mit Hall wird nicht gerade gegeizt, die Buchstaben DIY schweben ganz groß oben drüber, und der Hörer wird in den Indierock der Neunziger Jahre (SLOWDIVE, BUILT TO SPILL), zurückkatapultiert. Nebenbei spielen die Musiker hier noch in Bands wie JAGUWAR und WHITE HAND GIBBON mit. (7)
https://www.facebook.com/idrewblank

IRINA NESTOR – „One day you’ll miss today“ (Label: Eigenregie, VÖ: 05.07.2019)
(jg) „IRINA NESTOR“ klingt wie der Name einer Künstlerin aus Berlin, die Old School Indierock mit Einflüssen aus der Frühzeit der Hamburger Schule macht. Tatsächlich handelt es sich dabei aber um eine instrumentelle Post-Rock-Band aus Rom, die sich vom Gros der ähnlich klingenden Bands abhebt, indem sie Einflüsse aus EBM und Dark Wave in ihre Klänge mit einbaut. Das verleiht dem Sound der Italiener eine etwas düstere Note, der ihnen aber ganz gut zu Gesicht steht. Wer hätte vorher schon gedacht, dass eine Kreuzung aus MOGWAI und DEPECHE MODE durchaus Sinn ergibt? (6,5)
https://www.facebook.com/irinanestor.band/

JACOB MILLER – „This new home“ (Label: Jacob Miller Music, VÖ:06.06.2019)
(so) Finger-Picking wäre auch ein guter Albumtitel für dieses Werk von JACOB MILLER gewesen. Denn nicht nur widmet er sich intensiv dem traditionellen amerikanischen Folk, sondern eben auch dieser Art des Gitarrenspiels. Auf „This new home“ verbindet er einen poppigen Jazz mit den ureigentlichen Rhythmen der USA und erzeugt ein Klangkonglomerat, das recht hörbar ist, sich jedoch nicht wirklich ins Ohr spielt, trotz einiger Popanleihen. Irgendwie hat man immer wieder das Gefühl, es fehle etwas. Allerdings gibt es auch recht grandiose Ausnahmen, wie etwa das wundervoll zurückhaltende „Words we didn’t mean“, das fast schon sakral anmutet. Ansonsten ist „This new home“ gut gemachter Folk mit interessanten Einflüssen, der aber einfach nicht bis in die nächste Klasse aufsteigen will. Jedenfalls nicht, wenn ich das Zeugnis schreiben kann. (5,5)
https://www.facebook.com/JacobMillMusic/

JAMIE LENMAN – „Shuffle“ (Label: Big Scary Monsters, VÖ: 05.07.2019)
(jg) Ich las kürzlich, dass es Menschen geben soll, die behaupten, dass ADHS eine Erfindung der Pharma-Lobby sein soll. Die sollen sich mal das Soloprojekt des Ex-REUBEN-Frontmanns JAMIE LENMAN anhören, dann haben sie hier den besten Gegenbeweis. Auf „Shuffle“ werden 14 Songs gecovert, die im Original in Filmen, Büchern, Videospielen, Cartoons oder sonstwo auftauchten. Und genauso kunterbunt wie Lenmans Auswahl der Songs ist auch die jeweilige Neuinterpretation. Mal klingt es nach Psychedelic Rock („Taxi driver“), Death Metal („Popeye“), orientalischer Musik („Song of skeikilos“) oder nach Fado („A handsome stranger called death“). Verrückt! (6)
https://www.facebook.com/jamielenman

JOSY & PONY – „Eponyme“ (Label: Freaksville Music, VÖ: 05.10.2019)
(bc) „Feminists! Vegans! Beer Lovers! Here is your band!” verkündet der Promo-Zettel. Doch auch diejenigen, die sich von Shoegaze, französischem Sechziger Jahre-Pop und Riot Grrrl-Attitüde angesprochen fühlen, könnten sich möglicherweise für JOSY & PONY begeistern. Gesellschaftskritische, reflektierte Töne, die zugleich den Ohren schmeicheln.
Ich sag mal so: Sollte es irgendwo einen Squat mit Fahrstuhl geben, könnte „Eponyme“ möglicherweise die Musik für diesen sein. (6,5)
http://de-de.facebook.com/josyandthepony/

KYLES TOLONE – „Low spirits & fireworks“ (Label: Eigenvertrieb, VÖ: 13.09.2019)
(bc) KYLES TOLONE spielen Alternative Rock, und das auf eine ziemlich professionelle Art und Weise. Das Problem dabei ist jedoch, dass die Lieder auf „Low spirits & fireworks“ relativ unspektakulär und vorhersehbar daherkommen. Stellenweise wirken die Songs geradezu gezwungen hymnisch, und die Produktion fällt so sauber aus, dass das Album fast schon steril wirkt. Ich könnte mir allerdings gut vorstellen, dass das Ganze live und mit etwas mehr Druck durchaus unterhaltsam ist. (5)
http://de-de.facebook.com/KylesTolone

MISS JUNE – „Bad luck party“ (Label: Frenchkiss Records, VÖ: 06.09.2019)
(jg) Hier werden definitiv keine Gefangenen gemacht! Old School Garage-/Punkrock im Stile der SUBWAYS und BABES IN TOYLAND, verbunden mit einer Prise Post-Punk und einer Menge Lärm à la SONIC YOUTH und BIKINI KILL. Wobei den Neuseeländer/-innen die Gratwanderung zwischen Eingängigkeit und stets am Anschlag ganz gut gelingt. Passenderweise saß hier Tom Healy an den Reglern, der den punkigen Live-Sound ihrer Landsleute von DIE! DIE! DIE! ebenfalls sehr gut auf Tonträger festhalten konnte, mit denen sie bereits gemeinsam auf der Bühne standen. Europa soll als nächstes folgen – der Karatekeller im Molotow wäre beispielsweise eine passende Adresse. (6,66)
https://www.facebook.com/missjunenz

MEDIØKRIST – „Traumwelt“ (Label: Timezone, VÖ: 21.06.2019)
(bc) Vielleicht hätten MEDIØKRIST ihr Album nicht „Traumwelt“, sondern „Alptraumwelt“ nennen sollen. Nicht etwa, weil ihre Musik so schlecht wäre, sondern weil sie ihren deutschsprachigen Metalcore mit der Wucht eines Orkans auf die Hörerschaft loslassen. Ein ballerndes Schlagzeug, messerscharfes Riffing, dazu zwei Sänger, die sich abwechselnd die Seele aus dem Leib kotzen – Kuschelkurs sieht definitiv anders aus. Nichtsdestotrotz gibt es auch immer wieder melodische und dank eines wohldosierten Synthesizer-Einsatzes auch teils sphärische Momente, die die Prügelorgie wohltuend auflockern. Kann man so machen! (6,5)
http://www.facebook.com/mediokrist

NERVUS – „Tough crowd“ (Label: Big Scary Monsters, VÖ: 27.09.2019)
(jg) Schöner Indiepunk mit leichten Emo-Einflüssen aus Watford. Wer der Meinung ist, dass Konzerte von WEEZER aufgrund der vielen Cover-Songs mittlerweile eher an den Besuch in einer Karaoke-Bar erinnern, dürfte bei NERVUS auf jeden Fall fündig werden. Und die Tickets kosten sicherlich auch nur einen Bruchteil. Aber in Sachen Eingängigkeit gibt es kaum Unterschiede. Insofern dürften sich auch Fans von den CRIBS, PIEBALD und ihren Labelmates GENDER ROLES angesprochen fühlen.
Übrigens spielt hier auch Lucinda Livingstone von CULTDREAMS (siehe oben) mit, was doch ein wenig überrascht, da jene mit Fröhlichkeit nur bedingt zu tun haben. (7)
https://www.facebook.com/nervusmusic

O GAJO – „Lisbon Express“ (Label: European Phonographic, VÖ: 13.09.2019)
(jg) Ich war ja kürzlich in Griechenland, und musste dort feststellen, dass a) das Essen gar nicht so fleisch- und zwiebellastig ist, wie man vielleicht denkt und b) dass man der griechischen Folklore kaum entkommen kann. Tagein, tagaus gab es auf jedem Radiosender und in jeder Kneipe traditionelle Klänge, was definitiv gewöhnungsbedürftig ist. Bei O GAJO haben wir es zwar mit einem portugiesischen Gitarristen zu tun, aber der musikalische Ansatz ist ebenfalls traditionell. So lässt er auf seiner zehnsaitigen Viola Campanica orientalische Töne erklingen, die zeigen, dass Lissabon noch andere Traditionen als Fado vorzuweisen hat. Trotz alledem einzusortieren unter: special! (5)
https://www.facebook.com/ogajodacampanica/

PSYCHO VILLAGE – „Unstoppable“ (Label: 7 Hard, VÖ: 27.09.2019)
(jg) Hier haben wir dann doch noch ein passendes Beispiel für die obige Einleitung – eine Band, die nach wie vor dem bereits totgesagten Alternative Rock frönt. Und ich muss zugeben: nicht schlimm, wenn es dieses Genre bald nicht mehr geben sollte.
Groovige Rockriffs mit kleinen Elektro-Spielereien, einem oft zweistimmigem Gesang und Gitarrensoli zum Fremdschämen – PSYCHO VILLAGE aus Österreich scheinen tatsächlich unstoppable. Überraschend vor allem, dass es sich hierbei um ihr Debütalbum handelt und die Musiker erst Mitte zwanzig sind. Da muss man wahrscheinlich die Eltern für den Musikgeschmack ihrer Sprösslinge beschuldigen. (2)
https://www.facebook.com/PsychoVillage

SAIL BY SUMMER – „Casual heaven“ (Label: Apollon, VÖ: 09.08.2019)
(jg) In der letzten Zeit bekennen sich immer mehr Bands ganz offen zu ihrer Vorliebe für den Sound der Achtziger Jahre. Nicht ganz so offensichtlich zwar wie DIE KERZEN, aber nicht weniger mit poppigen Synthie-Sounds ausgestattet, könnte man die Norweger aber auch der Sparte Yachtrock zuordnen, was dann auch wieder zum Bandnamen passt. Angenehm leicht, mitunter fast ein wenig zu seicht.
Übrigens hat Sänger William Hut in den Neunzigern bei den Grammy-Gewinnern POOR RICH ONES gesungen. Mal schauen, welche Preise sie mit SAIL BY SUMMER abräumen. (6)
https://www.facebook.com/sailbysummer

SHARDS – „Find sound“ (Label: Erased Tapes, VÖ: 30.08.2019)
(jg) Ähnlich wie CARLOS CIPA (siehe oben) bedient auch diese Platte das Genre „Modern Classic“ – im Gegensatz zu Cipa steht hier jedoch kein Klavier, sondern ein Vokalensemble im Mittelpunkt, das lediglich durch Synthies und Percussions ergänzt wird. Das Ergebnis ist, auch wenn ich mit klassischen Gesängen in der Regel wenig anfangen kann, äußerst zugänglich. Gut möglich, dass das daran liegt, dass Komponist und Produzent Kieran Brunt bereits zuvor mit Künstlern wie TERRY RILEY, NILS FRAHM und MICHAEL PRICE zusammengearbeitet hat. Am meisten gefällt mir an SHARDS, dass sie der mittlerweile doch schon etwas eingestaubten Neoklassik mal eine neue Herangehensweise präsentieren. (7)
https://www.facebook.com/shardsvoices

SUBSHINE – Easy window (Label: Apollon Records, VÖ: 19.07.2019)
(so) Der ehemalige Frontmann von LORRAINE hat also eine neue Band. SUBSHINE. Und dieses Projekt hat so einige Stärken, die sicherlich nicht nur im Namedropping des Presseflyers liegen. SUBSHINE klingen nach den guten Achtzigern, als würde man mit einem Neonleuchtstab durch die Dunkelheit norwegischer Natur wandern und dabei noch „Stranger Things“ auf dem Tablet gucken. Schöne Elektro-Melodien, die mal an NEW ORDER, dann wieder an O(Label:MD oder AIR erinnern und dennoch sehr eigen sind, ein Händchen für gutes Songwriting beweisen. Mal hymnenhaft-träumerisch, dann wieder düster rockend, abwechslungs- und erinnerungsreich. Denn die Gedanken drehen sich sofort um die Erinnerungen aus den Achtzigern (so man welche hat, sonst eben einfach selbst welche ausdenken, denn auch dazu lädt „Easy window“ ein). Ein Album voll von der Schönheit elektronischer Musik. Bleibt nur die Frage, was eigentlich ein easy window ist… (7)
https://www.facebook.com/iamSubshine/

STACY CROWNE – „We sound electric“ (Label: Savage Magic Records,VÖ: 04.10.2019)
(bc) Das Kölner Quartett STACY CROWNE spielt skandinavisch geprägten High-Energy-Rock, der Combos wie THE HELLACOPTERS oder GLUECIFER zu seinen Vorbildern zählt. Das kommt stellenweise auch richtig gut, zum Beispiel im Stück „White lies“, das durch ziemlich coole Leadgitarren-Duelle besticht. Wenn es nach mir ginge, hätte das Album aber noch ein wenig mehr Rotz vertragen können. (6,5)
http://de-de.facebook.com/stacycrowne/

TELLAVISION – Add land (Label: Bureau B, VÖ: 12.04.2019)
(so) Hey, HANNE HUKKELBERG und ANGELA KINCZLY, ihr wollt wissen, wie man künstlerisch wertvolle Musik so richtig gut macht? Dann schaut doch einfach (oder hört) mal bei TELLAVISION vorbei, denn diese Dame macht euch das recht gut vor. Instrumental sehr zurückgenommen, um die Stimme wirken und einwirken zu lassen, unterstützt zumeist nur von leicht hypnotischen – man möchte fast sagen – Geräuschen, die flimmern, oszillieren, federleicht fallen und steigen. Das, was wirklich wichtig sein sollte, die Aussage des Songs, transportiert TELLAVISIONs Stimme ohne Probleme auch alleine mit dieser Form des Sprechgesanges, der fesselnd und abwechslungsreich gestaltet ist. So, als hätte man die EINSTÜRZENDEN NEUBAUTEN in den Hintergrund gesetzt, um Kammermusik zu TELLAVISIONs Gedankenwelt zu erzeugen. Dabei braucht die Dame noch nicht mal Unterstützung, sondern legt „Add land“ einfach mal alleine hin. Sicherlich ist auch dies hier kein einfaches Nebenher-Album, aber hier hat das Wort Kunst absolut seine Berechtigung. (7)
https://www.facebook.com/Tellavisionmusic/

THE BAD TONES – „Is it good enough?“ (Label: Eigenregie, VÖ: 05.07.2019)
(jg) Musik aus Lettland landet eher selten im Blueprint-Briefkasten. „Vom Blues getriebener Psychedelic Rock mit verträumten Gitarren und komplexen Arrangements“, heißt es im Presseschreiben. Das kommt zwar auch nicht gerade sexy rüber, aber THE BAD TONES finden ihre ganz eigene Nische, klingen zum einen ziemlich eigenständig und zum anderen auch verdammt gut. Am besten lassen sie sich noch mit ERLEND OYE, PARCELS und MILDLIFE vergleichen. Soll heißen: zarter Gesang, warmer Sound, leichte Jazz-Anleihen nicht ganz ausgeschlossen, alles eingebettet in ein verträumtes 70s Feeling.
Schaltet die Lavalampe schon mal ein, ich koche uns noch fix ’nen Kräutertee! (7)
https://www.facebook.com/thebadtonesband

THE BROTHERHOOD OF SONIC LOVE – „Satellite heart“ (Label: Eigenvertrieb, VÖ: 04.10.2019)
(bc) Nachdem vor knapp zwei Jahren bereits ihre Debüt-EP erschienen ist, schieben die Kopenhagener nun ihre erste Langrille nach. „Satellite heart“ ist ein sehr abwechslungs- und ideenreiches Retro-Rock-Album geworden, das sich aus unterschiedlichen Einflüssen wie Psychedelic oder Garage Rock speist, dabei aber zugleich eine recht düstere Note besitzt. Und das sicher nicht unbeabsichtigt, denn die Texte drehen sich um überwiegend negative Gefühlszustände wie Dunkelheit oder Sehnsucht. Wenn Du THE VELVET UNDERGROUND und JOY DIVISION magst, solltest Du hier mal reinhorchen. (7)
http://de-de.facebook.com/thebrotherhoodofsoniclove/

TRRMA AND CHARLEMAGNE PALESTINE – „Sssseegmmeentss frrooom baaari“ (VÖ 15.10.2019)
(bc) Nein, ich bin nicht versehentlich auf die Tastatur gekommen – der Album-Titel schreibt sich wirklich so. Wobei der Begriff „Album“ sowieso relativ ist, denn hier gibt es ausschließlich stochastische Klänge zu hören, die mit Percussion und Synthesizer erzeugt wurden. Und das führt im Endeffekt dazu, dass der Schreiber dieser Zeilen verstört vor seinem CD-Spieler sitzt und seltsamen Klängen lauschen muss, die man im normalen Großstadtlärm vermutlich überhaupt nicht wahrnehmen würde. Wie war das doch gleich mit dieser Joseph Beuys-Anekdote: Ist das Kunst, oder kann das weg? (0)
http://nl-nl.facebook.com/trrmaduoband/

V.A. – „Funkeln – Heimatlieder aus Deutschland“ (Label: Run United, VÖ: 27.09.2019)
(jg) Dieser Sampler klingt ähnlich gewöhnungsbedürftig wie das Solo-Album von BIBI AHMED (siehe oben). Und der Titel ist zugleich recht irreführend. Mit alten Volksweisen, wie man sie vielleicht auch auf einem Parteitag der AfD zu hören bekommen könnte, hat diese Zusammenstellung rein gar nichts zu tun – eher im Gegenteil. Denn das 2013 gegründete Kunstprojekt versammelt hier 18 verschiedene Künstler aus Kuba, Portugal, Spanien, Marokko, Italien, Kroatien, Serbien, Griechenland, Türkei, Mosambik, Südkorea, Vietnam, Rumänien und Kamerun, was für einen entsprechend breitgefächerten Stilmix sorgt, der wie eine vertonte Weltreise klingt. Für folkloristische Klänge sollte man jedenfalls offen sein. (6)
https://www.facebook.com/kulturoeffnetwelten