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Weihnachts-Special, Teil 2: Interview mit dem besten Sommelier Deutschlands

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Hier lest Ihr an jedem Adventssonntag einen neuen Teil des Interviews mit Maximilian Wilm, „Bester Sommelier Deutschlands“.
Zum Teil 1 geht es hier.

Lernt man das Geschichtenerzählen, was du vorhin erwähnt hast, auch in der Ausbildung zum Sommelier?
Maximilian:
Es gibt tatsächlich einen kommunikativen Teil in der Ausbildung, aber man muss der Typ dafür sein. Ich war schon früh in Theater-AGs oder ließ mich zum Klassensprecher wählen. Gäste empfinden es auch als angenehmer, wenn man mit ihnen kommunizieren kann und sie nicht mit dem angeeigneten Fachwissen erschlägt.

Wollen sich alle Gäste von dir führen lassen?
Maximilian: Die meisten. In den letzten Jahren hat Wein sehr an Popularität gewonnen, was auch dazu führt, dass die Gäste immer jünger werden. Früher hat man Wein mit alten Herren in einem Kaminzimmer verbunden, aber inzwischen trauen sich auch junge Studenten in Restaurants, die bislang als hochpreisig empfunden wurden. Dieses Publikum darf man nicht mit einer Weinempfehlung von 100€ überfahren. Zudem möchte ich keinen Wein empfehlen, der mir schmeckt, sondern den, der zu dem Gast passt. Wein ist nichts Kompliziertes – er soll Spaß machen!

Du sprachst gerade über den Preis. Gibt es für dich eine Obergrenze, die du maximal bereit bist, für einen Wein zu zahlen?
Maximilian: Ja, diese Obergrenze gibt es, und die sollte sich auch jeder setzen. Man muss natürlich in Relation setzen, dass der Preis in einem Restaurant ein anderer ist als im Handel oder im Internet. Ich habe wahrscheinlich eine deutlich höhere Schmerzgrenze als die meisten anderen Leute – für mich gibt es eher eine Untergrenze. Im Laden würde ich nie weniger als 5€ für einen Wein zahlen, ich zahle sogar selten weniger als 10€. Für weniger Geld kann man keinen vernünftigen Wein produzieren. Die Obergrenze hängt aber auch von Emotionen ab. Wenn ich an meinem Hochzeitstag im Restaurant bin oder einen Wein entdecke, den ich schon immer probieren wollte, wird diese Grenze auch mal überschritten. Ich finde es aber auch völlig legitim, wenn man als Gast dem Sommelier eine Preisrange mitgibt, wieviel Geld man maximal investieren möchte. In einem guten Restaurant geht der Preis für eine anständige Flasche Wein bei etwa 20€ los.

Dann würdest du also eher Per Steinbrück zustimmen, der in der Boulevardpresse eine große Diskussion losgetreten hat, als er sagte, dass er eine Flasche Pinot Grigio nicht unter fünf Euro kaufen würde.
Maximilian:
Über solche Kommentare in der Axel-Springer-Presse rege ich mich gerne auf. Das lässt sich ja genauso auf die Massentierhaltung übertragen. Wenn wir alle bereit wären, einen angemessenen Preis für Fleisch zu zahlen, würde es die Massentierhaltung gar nicht geben. Lass Ribéry doch sein teures Gold-Steak essen! Er verdient im Jahr an die 10 Millionen Euro, aber er kauft dafür ein ordentliches Stück Fleisch. Ob man das mit Gold verzieren muss, lassen wir mal dahingestellt. Aber dann sollte man doch besser kritisieren, wenn Edeka seine Hähnchenkeule für 19 Cent pro 100g bewirbt.
Ähnlich ist es mit dem Wein. Für unter fünf Euro erhält man eben nur ein Massenprodukt, wo auch verschimmelte Beeren und Stabilisatoren verwendet werden, die nicht aufgelistet werden müssen.

Kann man pauschal sagen, dass teure Weine besser schmecken?
Maximilian:
Es trifft ja nicht jeder Wein deinen Geschmack. Es gab mal einen Test an einer Universität, wo man Probanden verschiedene Weine servierte, den jeweiligen Preis dazu nannte und sie anschließend den Geschmack bewerten ließ. Das Ergebnis: je teurer der Wein, desto besser die Bewertung. Am Ende wurde allerdings aufgelöst, dass in allen Gläsern derselbe Wein war.
Ein anderes Beispiel: Gelegentlich moderiere ich Weinabende für Firmen. Ich habe dort einmal vor 140 Leuten drei verschiedene Weine aus derselben Region mit der gleichen Rebsorte eingeschenkt, die sich nur im Preis unterschieden: 5€ – 20€ – 100€. Der mittlere Wein wurde von den meisten richtig herausgeschmeckt, aber die anderen beiden Weine wurden oft verwechselt, weil nach dem persönlichen Geschmack geurteilt wurde. Günstige Weine werden in der Regel für die Massen produziert und schmecken entsprechend gefällig, während der teure Wein für Laien meist zu komplex ist und sie damit nichts anfangen können.

Stimmt denn das Gerücht, dass Experten bei einer Blindverkostung einen Weißwein nicht von einem Rotwein unterscheiden konnten?
Maximilian:
Ich kann mir das durchaus vorstellen. Bei Wettbewerben werden wir gelegentlich aufs Glatteis geführt, indem man uns Wein aus schwarzen Gläsern ausschenkt und den Rotwein auf Weißwein-Temperatur herunterkühlt. Das Auge trinkt immer mit! Da man einen jungen Weißwein am grünlichen Schimmer erkennen kann, während ältere Weine eher goldbraun leuchten, zieht man aus seinen Beobachtungen letztendlich Rückschlüsse auf das Alter. Wenn man dann im Finale der deutschen Meisterschaft Sake aus schwarzen Gläsern trinkt und nur über den Geschmack und die Nase die Stilistiken, also den Reispolierungsgrad und die Süßegrade einsortieren soll, wird es unglaublich schwierig.

Trinkt man als vinophiler Mensch automatisch viel Wein?
Maximilian
: Man muss aufpassen! In unserer Branche kommt man unglaublich leicht an Alkohol, und das sollte einem bewusst sein. Für mich ist der Kontrollmechanismus, wenn ich am Freitagabend mit meiner Frau auf der Couch sitze und nicht das Bedürfnis habe, Wein trinken zu müssen. Ich brauche auch nicht jeden Abend mein Feierabend-Glas um runterzukommen. Das ist für mich wichtig.

Wird man als „Bester Sommelier Deutschlands“ eigentlich von anderen Restaurants abgeworben?
Maximilian:
Man kriegt natürlich Jobangebote, aber für mich steht das nicht zur Debatte. Ich stehe im Kinfelts mit in der Geschäftsführung, bin in Hamburg verwurzelt und konnte mich auch vorher nicht über mein Gehalt beschweren. Allerdings wird man nun zu Veranstaltungen und in Jurys eingeladen, man bekommt Reisen und Interviewanfragen, und für ein Restaurant ist es natürlich auch eine gute Werbung.

Was würdest Du einem ambitionierten Weintrinker zur eigenen Schulung mit auf den Weg geben? Sind Riechsets eine gute Übung, sollte man sich belesen oder möglichst viele verschiedene Weine probieren?
Maximilian:
Das Schöne am Wein ist: Probieren geht über Studieren! Trinken hilft. Man sollte schon möglichst viel verkosten, aber nicht blind. Als Tipp kann man sich beispielsweise eine Woche oder einen Monat lang mit der Toskana befassen, sich durch die entsprechenden Weine trinken, etwas über die Region lesen und vielleicht sogar ein, zwei Weingüter dort besuchen. Ich bin kein Freund von diesen Riechsets, da sie alle synthetisch hergestellt werden. Stattdessen rieche ich lieber an frischem Obst und Gemüse und versuche, dies im Wein wiederzufinden. Anschließend esse ich auch noch etwas Gesundes. Riechen ist tatsächlich eine Trainingssache, genauso wie ein Musiker seine Riffs und seine Noten lernt und ein Fußballer seinen Fuß trainiert. Man muss schon dreimal in einen Apfel gebissen haben, um zu wissen, wie er schmeckt.
Natürlich hat eine Rebsorte eine bestimmte Charakteristik. Es kommt allerdings auch noch die Region und der Winzer mit seiner eigenen Handschrift hinzu. Nicht jeder Wein einer bestimmten Region weist alle typischen Aromen auf. Es hilft aber natürlich, wenn man schon gelesen hat, dass ein deutscher Riesling nach exotischen Früchten und Zitrusfrüchten schmecken sollte.

Und was hältst Du von dem Tipp, dass man bei einer Weinprobe kein Wasser zwischen den verschiedenen Weinen trinken soll, weil man jedes Mal erneut den Weingeschmack im Mund aufbauen muss?
Maximilian:
Pffff!!! Wein hat so viel mit irgendwelchen steifen Regeln und Mythen zu tun. Natürlich neutralisiert Wasser den Geschmack, aber ich finde die Aussage trotzdem schwierig. In einer langen Verkostung sollte man schon viel Wasser trinken, weil Alkohol auch dehydriert. Genauso affig finde ich es, wenn Leute dazwischen ständig Brot essen, das im Idealfall noch mit Trüffelbutter beschmiert ist. Dann schmeckt der folgende Wein automatisch nur nach Trüffel. Wein soll Spaß machen, und man muss die ganze Sache nicht so verkopft sehen!

Viele Weintrinker stehen zu Beginn auf sehr kräftige Weine, während sie erst später ein Gefühl für feine Nuancen entwickeln. Was ist Dein persönlicher Lieblingswein oder Deine liebste Rebsorte?
Maximilian
: Ich bin ein riesengroßer Riesling-Fan, ich mag aber auch Chardonnay oder Pinot Noir. Die klassische Weintrinker-Karriere sieht wie folgt aus: es geht mit lieblichen Weinen los, gerade auch im Weißwein-Bereich. Bei den Mädels ist es oft Lambrusco, Asti Spumante oder ein Riesling Spätlese. Es folgt der fruchtige Sauvignon Blanc oder ein trockener Weißwein. Der Riesling oder der Chardonnay zählen bei den Weißweinen schon zur Königsdisziplin.
Beim Rotwein fangen tatsächlich viele mit den schweren Wuchtbrummen an, weil sie oft viel Frucht mit etwas Süße vereinen. Diese Intensität ist für Laien leichter zu begreifen. Danach gehen viele auf die trockeneren, eleganteren Rotweine über, wobei der Pinot Noir hier in der Champions League spielt. Wenn man dort einmal angekommen ist, geht man nie wieder zurück zu den kräftigen Weinen. Ich persönlich trinke aber schon alleine aus beruflichen Gründen mit einer extremen Bandbreite. Meine Frau und ich mögen beide gerne viel probieren.

Dieses war der zweite Teil – am 3. Advent geht es hier weiter.