WAR ON WOMEN sind eine feministische Hardcore-Punk-Band aus Baltimore, bestehend aus drei Frauen und zwei Männern. Ihr Name leitet sich von einem Schlagwort in der amerikanischen Politik ab, mit dem bestimmte Eingaben und Gesetze der Republikaner, insbesondere gegen Geburtenkontrolle und Abtreibungen, die strafrechtliche Verfolgung von krimineller Gewalt gegen Frauen, aber auch Diskriminierung von Frauen am Arbeitsplatz bezeichnet werden.
Schon mit ihrem selbstbetiteltem Debüt von 2015 erspielte sich das Quintett einen guten Ruf in der HC-Szene der USA, was in eine Einladung auf die WARP-Tour 2017 gipfelte. Um ihren Ruf auf diesem rein kommerziellen Punk-Zirkus nicht zu beschädigen, trumpften WOW mit einem Stand zum Thema „Safer Spaces“ auf.
Im Gegensatz zum Debüt hat die Band ihren Horizont etwas erweitert. Neben derbe geknüppeltem Hardcore, wie in „Lone wolves“, „Dick pics“ oder „Anarcha“, finden sich auf dem zweiten Album „Capture the flag“ jetzt auch straighte Punknummern und Anflüge von Alternative.
„I’ll never never be a quiet woman“ verspricht Frontfrau Shawna Potter in „Silence is the gift“ und löst das Versprechen zwölfmal ein. Der Kampf gegen Unterdrückung und Diskriminierung von Frauen bleibt weiterhin Kernthema der Songs. Doch schon der erste Song „Lone wolves“ wird von Potters Wut über die mangelnde Schusswaffenkontrollen und –reglementierungen in den U.S. angetrieben.
Überhaupt: Shawana hat permanent Schaum vor dem Mund und zeigt unentwegt wütend mit dem Finger auf die Plagen infolge von Rassismus, Kapitalismus und Patriarchat. Und damit das alles auch noch eine kaum vorzustellende Steigerung erfährt, hat sie sich mit dem role-model der Riot-Grrrl-Bewegung Kathleen Hanna (BIKINI KILL, LE TIGRE), Lauren Kashan (SHARPTOOTH) und Johanne Angel (Porno-Actress und –produzentin) wirkungsvolle Verstärkung ans Mikrofon geholt. Nun ist immerwährende Wut auf Dauer ermüdend. WAR ON WOMEN umschiffen diese Falle, indem sie sexistische, patriarchalische und politische Entgleisungen auch mit Humor und Intelligenz begegnen.
Eigentlich ist Geschrei und Geknüppel nicht unbedingt nach meinem Geschmack. Obwohl man davon auch auf „Capture the flag“ genug Passagen findet („Childbirth“, „The violence of bureaucracy“, „YDTMHTL“), schaffen WAR ON WOMEN eine geniale Balance zwischen Wut und Pop, Raserei und Eingängigkeit. Songs wie „Silence is a gift“, „Pleasure & the beast“, „Divisive shit“ oder „The chalice & the blade“, mit ihrer gelungenen Mélange aus Härte und Melodie haben sogar ein gewisses Hitpotenzial, wenngleich die geschickten Arrangements, Groovewechsel und nicht immer geraden Takte stets ein lautes „Fuck you!“ in Richtung Mainstream und Kommerzradio kommunizieren. Als Gedankenkrücke kann man sagen, dass WAR ON WOMAN mit ihren zugänglichsten Songs in Sachen Härte ungefähr da anfangen, wo AGAINST ME einst auf „New wave“ aufgehört haben.
Eingespielt wurde „Capture the flag“ mit J. Robbins (JAWBOX, BURNING AIRLINES u.a.), der dem Album einen wuchtigen, kraftstrotzenden Sound verpasst hat, ohne die Finessen der Arrangements darunter zu begraben.
Wer auf Härte und Geschwindigkeit, gepaart mit Messaqe und Melodie steht, findet in „Capture the flag“ ein Album, das in 2018 schwer zu toppen sein wird.