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TANTE POLLY – Ganz schön körperbetont – aber wer sich’s leisten kann…

TANTE POLLY haben eine neue CD. Zu einer neuen CD gehört auch ein Releasekonzert. Oder auch gleich zwei. Am ersten Abend in der Altonaer Motte durfte ich Teil eines grandiosen Konzertes sein. Wenn auch nur als Zuhörer…

Gemütlich geht es zu in der Motte mitten in Altona. Einige vereinzelte Raucher stehen vor der unauffälligen Eingangstür. Hat man diese durchschritten, meint man zunächst, sich in einem kleinen Hinterhoftheater zu befinden – und tatsächlich ist der beschauliche Saal auch teilbestuhlt. Zwischen den Gästen jeder Altersgruppe springen munter ein paar Kinder durch den Raum, die sich später als familiärer Anhang der Bandmitglieder herauskristallisieren und wie „die Großen“ später fußwippend und kopfschüttelnd vor der Bühne stehen.
Bevor TANTE POLLY ihren Auftritt beginnen, setzt sich MAIKE SCHRADER ans Piano und singt dem lauschenden Publikum einige ihrer Chanson-Balladen, deren hintergründige, witzig-intelligente Texte schnell zupacken und den nächsten Song herbeisehnen lassen.
Dann betreten die Herren von TANTE POLLY, noch gediegen gekleidet, die Bühne und erfreuen die Gästeschar mit dem ruhigeren Teil ihres Programms. Bunt gemischt bringen sie hier Nummern des alten Albums, wie „Einsam und pleite“ oder „Alleine in der Küche“ oder das wunderbare „Herz aus Beton“ und solche des neuen, an eben diesem Tage veröffentlichten Albums zu Gehör. Die noch unbekannten Songs spielen sich sofort in die Herzen der Zuhörer und werden mit reichlich Beifall bedacht.
Es fällt auf, wie gut eingespielt TANTE POLLY sind, wie sicher sie ihre Songs spielen können, ohne dabei den Anschein von kalter Professionalität zu hinterlassen. Vielmehr wirken sie immer lebendig, begeisternd und begeistert. Die Anwesenden wissen natürlich auch, warum sie da sind und singen aus vollem Hals mit oder lauschen andächtig, wenn die Texte noch nicht so bekannt sind. Auch das bemerkt man beim Set der Band, dass der Text stets im Vordergrund steht, wobei die untermalende Musik alles andere als missachtenswert ist. Saxophon(e), Bass, Piano und Drums ergänzen sich zu einem wunderbaren Ganzen, auf das der Gesang, der teils mehrstimmig arrangiert ist, als Zuckerguss gelegt ist.
Nach der Pause, dann ohne Stühle, darf getanzt werden, zu den „Hits“ von TANTE POLLY. Schnell fühlt man sich, auch aufgrund des abnehmenden Sauerstoffgehaltes der Luft, wie in einem verrauchten und verruchten Jazzkeller, die durchaus körperbetonten Badeanzüge, in die die Herren sich mittlerweile geworfen haben, tun ihr Übriges, um die Stimmung endgültig Richtung Siedepunkt zu treiben.
Nach den letzten Akkorden und den letzten ineinander fallenden Händen flirren die Ohren leicht und man ist um eine ungemein erheiternde und erhellende Konzerterfahrung reicher. TANTE POLLY sind ein Team auf der Bühne, das Spaß bereitet und selbst Spaß hat. Die perfekte Mischung für einen perfekten Abend. Und das – ich möchte es noch einmal betonen – obwohl das, was die mittlerweile vier Herren da tun, eigentlich so gar nicht meine Musik ist. Chapeau. Verbeugung. Applaus.
Und dann hinaus in die Kälte – und zum Sauerstoff. Alles hat seine guten Seiten, selbst das Ende eines wirklich schönen Konzertabends. Danke, TANTE POLLY.

Simon-Dominik Otte

Mensch. Musiker (#Nullmorphem). Schauspieler (#BUSC). Rezensent (#blueprintfanzine). Come on, @effzeh! AFP-Fan. (#Amandapalmer). Lehrer. Und überhaupt. Und so.