Im Rahmen unseres Specials zum 20jährigen Sounds of Subterrania-Jubiläum hier unser vierter Teil zum Begriff DIY:
„Do-it-yourself“, etwas selbst machen – ein Begriff, der auf den ersten Blick, wie maßgeschneidert auf Gregor und sein Label Sounds of Subterrania zu passen scheint. Und dennoch hat Gregor Bauchschmerzen damit, diesen Begriff für sich zu verwenden: „Wenn ich über DIY spreche, meine ich etwas völlig anderes als höchstwahrscheinlich neunzig Prozent der Leute. Deswegen mag ich das für meine Arbeit nicht mehr so gerne.“
Um die unterschiedlichen Bedeutungsebenen und Verwendungsmodi zu entwirren, hilft es, sich die Historie des Begriffs vor Augen zu führen: „Der DIY-Begriff kommt ursprünglich aus der Heimwerkerszene. Da geht es um die Freude darüber, dass wir selber etwas geschaffen haben: Wir haben einen Kuchen gebacken, wir haben Bier gebraut, wir haben einen Gartenzaun gemacht und gestrichen, wir haben ein Baumhaus gebaut, wir lernen Fahrrad – es ist die Freude darüber, dass wir etwas können.
Und dann gibt es die politische Komponente des DIY-Begriffs. Sie stammt daher, dass Leute in kleinem Rahmen Konzerte gemacht haben und untereinander Netzwerke gegründet haben. Die DIY-Szene war eine nicht-kapitalistische Szene. Es ging nicht darum, Gewinn zu erwirtschaften, sondern etwas zu machen. Heute aber wird der Begriff häufig benutzt um Gewinn zu erwirtschaften. Es verhält sich ähnlich wie mit vielen anderen Begriffen: er ist fast nur noch eine Worthülse, weil man im Grunde alles, was man macht, mit DIY umschreiben kann. Heute wird er dann z.B. so benutzt: man macht etwas selber, weil man kein Geld ausgeben will und sagt dann ganz einfach DIY, damit es besser klingt. Im Grunde ist es aber egal, ob das auch eine Maschine bzw. Fabrik macht. Es spielt eben keine Rolle, weil es keine Ermächtigung ist, sondern nur eine Erledigung von Arbeit.“
War es einst der auf Freundschaft und Solidarität basierende soziale und subkulturelle Zusammenhang einer Szene, der den Begriff in den 1970er und 80er Jahren mit der ihm lange Zeit innewohnenden kapitalismuskritischen Bedeutung aufgeladen hat, um ihn bewusst in Stellung und Abgrenzung gegenüber einer als feindlich wahrgenommenen Musikindustrie zu bringen, ist der Begriff mittlerweile gut als Veranschaulichungsbeispiel geeignet, wie sich die subkulturell-kredibile Aufladung eines Begriffs für eigenes Marketing verwenden lässt.
„DIY wird als Begriff missbraucht. Wenn man eine Band hat, um ein Beispiel zu nennen, wie die DONOTS, die ein neues Album rausbringen und damit Werbung machen, dass das ja DIY sei, weil sie jetzt keine Plattenfirma mehr haben, aber Leute dafür anstellen, Arbeiten zu erledigen, dann hat das ja nichts damit zu tun, dass sie auf einmal das Bewusstsein gewonnen haben, dass das ein guter Weg ist. Es geht jetzt erstmal nicht um eine Wertung, ob das gut oder richtig ist.
Es ist so, dass sich die Zeiten geändert haben und viele Bands, die auf ein Majorlabel gegangen sind, merken, dass sie da nicht weiterkommen und es für das Label auch okay ist, wenn die Band alle Aufgaben übernimmt und der Major nur noch als Vertrieb funktioniert. Es ist ja okay, wenn eine Band Geld verdienen will, das will ich ihnen gar nicht absprechen. Aber das hat eben für mich nichts mit DIY zu tun. Weil das Umfeld auch nicht so ist. Das fehlt eben einfach. Und dann wird mit dieser Begrifflichkeit des DIY und Punkrock Kapital gemacht, wenn jemand etwas so euphoristisch formuliert, dass man damit einfach Geld abschöpfen kann von Unwissenden, die sich über diesen Begriff nie Gedanken gemacht haben. Aber es gibt eben auch kaum noch Orte, wo ihnen das erklärt wird. Es gibt kein Korrektiv, das sagt, man darf diesen Begriff so und so nicht verwenden. Es sind eben alles freie Begriffe, die nicht geschützt sind. Und da Begriffe nicht mehr klar umrissen werden, werden sie immer sinnentleerter.“