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PLATZGUMER/TOKUJIRÔ – Taishô romantica

Ich dachte beim blinden Reinhören zunächst an eine georgische Kammerpop-Band, doch damit lag ich ziemlich verkehrt. Hinter „Taishô romantica“ stecken ein Österreicher und ein Halbjapaner, einer davon sogar kein Unbekannter: Hans Platzgumer. Nach diversen Punkbands in Innsbruck erlangte er nach seiner Umsiedlung nach New York mit H.P. ZINKER via Matador Records erstmals größere Aufmerksamkeit. Später arbeitete er vermehrt in den Bereichen Theater und Hörspiel, bevor er auch als Autor viel Beachtung fand.
Diese Vielseitigkeit in seinem Leben (die man im Nachhinein auch stilistisch schon bei H.P. ZINKER ausmachen konnte) spiegelt sich nun auch in seiner Zusammenarbeit mit dem Sänger Carl Tokujirô Mirwald wider, der hauptberuflich als Kunst- und Japanischlehrer, Schulleiter der Montessori Fachoberschule München und als Gastdozent an der Internationale Gesellschaft für systemische Therapie in Heidelberg tätig ist. Wenn zwei so vielseitig interessierte Menschen aufeinandertreffen, kann eine gemeinsame Zusammenarbeit für Außenstehende schnell auch mal anstrengend werden. Das dem nicht so ist, bewiesen die beiden bereits Anfang der Zweitausender mit dem minimalistischen Elektroduo SHINTO. SHINTO wurde 2011 zu den Akten gelegt, doch 2015 begannen die beiden eine neue Kollaboration, in der sie sich mit der Taishō-Zeit befassten, einer Ära in der japanischen Geschichte, in der es zu entscheidenden Machtverschiebungen, verbunden mit kulturen Änderungen kam. Platzgumer thematisierte dies auch in seinem Buch „Großes Spiel“, zusammen wurde dies auch vertont. Mit Tokujirôs an TOM WAITS erinnernde Stimme klingt das Ergebnis wie ein zart angejazztes Kammermusik-Album, das aber auch dezente elektronische Spielereien zulässt. Gefallen könnte dies Fans von Bands wie den DRESDEN DOLLS, natürlich auch TOM WAITS, aber auch Freunden der klassischen Musik und des Jazz. Erfreulich an diesem Album: die vielen Einflüsse wirken auch hier keineswegs anstrengend, was sicherlich auch an der zurückhaltenden Form der Instrumentierung liegt.

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