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NORTH ALONE – 12.09.2020, Faust-Wiese (Hannover)

Ich sag mal so: In Zeiten wie diesen ist man durchaus bereit, für ein Konzert den einen oder anderen zusätzlichen Kilometer in Kauf zu nehmen und auch Veranstaltungen zu besuchen, die man normalerweise nicht auf der Speisekarte stehen hätte. Nicht dass wir uns falsch verstehen – ich mag NORTH ALONE ziemlich gerne, und vor allem das Album „Next stop CA“ hat auf meinem Plattenteller schon so manche Runde zurückgelegt. Allein für eine Akustik-Show des Münsteraners hätte es mich unter anderen Umständen vermutlich jedoch nicht nach Hannover-Linden verschlagen. Immerhin zeigte sich das Wetter in der niedersächsischen Landeshauptstadt von seiner besten Seite und ließ in Verbindung mit den Corona-konform platzierten Liegestühlen glatt so etwas wie Urlaubsstimmung auf der Wiese hinter dem alternativen Kulturzentrum „Faust“ aufkommen. Diese wurde zunächst von einem jungen Mann beschallt, der sich COSMO THUNDER nennt und deutschsprachige Lieder darbot, denen man trotz überwiegend persönlich gehaltener Texte eine klare Punkrock-Sozialisation anhörte. Viel abgestoppte Akkorde, hier und da mal eine Melodie-Oktave oder gelegentlich ein kleines eingestreutes Picking; dazu ein Gesang, der mich überraschend deutlich an einen jungen DENIZ JASPERSEN erinnerte. Ein schöner Auftakt, wenngleich die Gitarre deutlich zu leise abgemischt war und dadurch auch die eine oder andere stimmliche Unsauberkeit zu vernehmen war.
Das Problem der zu leise abgemischten Gitarre hatte vermutlich auch Hansol Seung erkannt und bat den Tontechniker, das Saiteninstrument bei seinem darauf folgenden Auftritt deutlich präsenter als noch bei seinem Vorgänger aus den Boxen erklingen zu lassen. Normalerweise ist er als Frontmann der Emo-Punks SHORELINE in Full-Band-Besetzung unterwegs, heute hingegen war er im Sinne des Veranstaltungskonzeptes auf sich alleine gestellt. Doch von Verunsicherung keine Spur, denn mit seiner überzeugenden Stimme und seiner sympathischen Art konnte er das Publikum im Handumdrehen für sich gewinnen. Positiv hervorzuheben wäre noch eine seiner Ansagen, in der er zur Solidarität mit den geflüchteten Menschen im jüngst abgebrannten Flüchtlingslager in Moria aufrief und noch einmal die Wichtigkeit hervorhob, nicht nur Betroffenheit in sozialen Netzwerken zu zeigen, sondern auch in Alltagsdiskussionen mit Bekannten und Familienmitgliedern deutlich Flagge gegen Alltagsrassismus und xenophobe Vorurteile zu zeigen.
Diesem Statement schloss sich auch NORTH ALONE an, der mit „Alright Alt-Right“ zudem sogar einen Song zu diesem Thema im Repertoire hatte. Unterstützt von einem Violinisten spielte er sich souverän durch Songs wie „Scatter my ashes“, „Romantic sense“ oder „My music sucks“ und ließ zwischen den Liedern auch immer wieder ein paar Textanmerkungen oder Anekdoten mit einfließen. So erzählte er im Zusammenhang mit den Stücken „Punk is dad“ und „For Milo“ auch von seinem mittlerweile zweijährigen Sohn. So weit, so niedlich – wäre da nicht noch die zusätzliche Information gewesen, dass sein Sohn sich gerade im Kindergarten eine Erkältung aufgesackt hätte und er selber nun auch mit Halsbeschwerden zu kämpfen hätte. Eigentlich eine Allerweltsansage, die bei einem Konzert zu Corona-Zeiten trotz Einhaltung der erforderlichen Hygieneauflagen bei einigen Personen im Publikum jedoch ein etwas mulmiges Gefühl hinterlassen haben dürfte. Drücken wir an dieser Stelle einfach mal die Daumen, dass es sich tatsächlich um einen harmlosen Schnupfen handelt… Nachdem zum Abschluss noch das großartige „Extralarge“ gespielt wurde, endete auch diese Veranstaltung. Bleibt zu hoffen, dass uns kein trost- und konzertloser Herbst/Winter bevorsteht.

Bernd Cramer

Konzert-Junkie & Vinyl-Liebhaber. Schreibt über Musik, ohne zu Architektur zu tanzen.