Kurz & schmerzlos (April – Juni 2012) – CD-Besprechungen in aller Kürze

Das Leben ist ein Frage-und-Antwort-Spiel… soll ich diese SMS schreiben, soll ich wirklich zu der Party gehen, sollte ich wirklich noch ein Bier trinken, kann man diesen Sommer wirklich Sommer nennen? Letzteres lässt sich sicherlich mit „Nein“ beantworten, wären da nicht die „Sommer“-Ferien, es muss also Sommer sein. Und doch ist man entweder im Auto gezwungen, aufgrund herabfallender Sintfluten einen Zwischenstopp einzulegen und so Orte kennen zu lernen, die man besser nie gekannt hätte, oder die Bahnen fallen reihenweise aus, weil die Bäume sich mal wieder selbstständig machen, oder aber das Fahrrad stand die Nacht über wieder draußen und begrüßt mich morgens sympathisch angefeuchtet, so dass der Tag ja nur gut werden kann. Zudem führen Aufenthalte in halbwegs trockenen Bushaltestellen auch zu der ein oder anderen besseren oder schlechteren Bekanntschaft. Es ist also nicht alles mies, was dieser Sommer so mit uns macht. Man muss sich nur darauf einlassen. Ähnlich sieht es mit den Kurzreviews aus. Lassen wir uns also ein…

CHICKPEACE – „To the point“ (Label: BOB-Media, VÖ 27.04.2012)
(bc) Bereits nach dem Einleitungssatz des Bandinfos hätte ich eigentlich gewarnt sein müssen: „CHICKPEACE ist eine frische Rock-, Blues- und Funkmischung!“. Doch die Neugier war mal wieder stärker und nun höre ich mich durch einen Haufen Lieder, die angeblich durch „ihre peppige und groovige Art“ hervorstechen (wieder Zitat Bandinfo). Und damit hätten wir mal wieder den besten Beweis dafür, wie unterschiedlich Geschmäcker und Wahrnehmungen doch sein können: In meinen Augen machen die Schweizer nämlich nichts weiter als stinklangweiligen, funkigen Rock-Pop, der auf dem nächstbesten Stadtfest mit Sicherheit den ein oder anderen Hausfrauenfuß zum rhythmischen Mitwippen animiert. Da reißt auch die zweifelsohne talentierte Sängerin nicht viel mehr raus. (2)
http://www.myspace.com/chickpeace.music

CLARA BOW – „Not now“ (Label: Smarten-Up, VÖ: 18.05.2012)
(so) Vier Hamburger Mädels mit jeder Menge Rotz und Punk dabei. Aber auch dem Gespür für den chartigen Poprefrain. So, dass man sich gut vom Pogo der letzten Nummer erholen kann. Harte Gitarren, straighte Drums, hypnotische Bässe, da stimmt schon so einiges. Ab und an lässt „Not now“ die nötige Tiefe der Produktion vermissen, was aber beim Gesamteindruck nicht wirklich stört. Es gibt ihn also noch, den guten female rock! Rock on! (6,5)
http://www.myspace.com/clarabow

ED SCHRADER´S MUSIC BEAT – „Jazz mind“ (Label: Upset! The Rhythm, VÖ: 25.05.2012)
(so) ED SCHRADER macht interessante Musik, irgendwie intellektuell. Schräg, verschroben und dennoch Pop. So, als würde NICK CAVE gemeinsam mit Trent Reznor ein Album produzieren. Abstrus das Ganze, taugt überhaupt nicht zum Nebenherhören, da muss man sich schon konzentrieren. Tut man dies, tut „Jazz mind“ seine Wirkung. File under: drauf einlassen. (6)
http://www.myspace.com/edschradersmusicbeat

IN MY DREAMS – „XII reasons to remember“ (Label: Fastball Music, VÖ 20.04.2012)
(bc) Wenn Punk tatsächlich, wie schon seit Jahren behauptet, tot sein soll, was ist dann bitte schön Alternative Rock?! Ja, wohl mindestens in einem fortgeschrittenen Verwesungsstadium, wenn ihr mich fragt. Und auch IN MY DREAMS hauchen dem Genre mit ihrem Album „XII reasons to believe“ nicht gerade neues Leben ein, um es mal diplomatisch auszudrücken. Die Songstrukturen fallen in die Kategorie „Standard“, der Sänger ist zwar bemüht, aber nur selten überzeugend, und die Schlagzeugbeats sind phasenweise dermaßen leblos und monoton, dass man denkt, hier wäre ein Drumcomputer am Werk gewesen. Da ist noch viel Luft nach oben, fürchte ich. (3,5)
http://www.myspace.com/inmydreamsrocks

JEALOUSY MOUNTAIN DUO – „No. 1” (Label: bluNoise, VÖ: 13.04.2012)
(so) bluNoise halt. Wer´s mag. Gitarre und Schlagzeug, irgendwo zwischen Genie und Wahnsinn. JEALOUSY MOUNTAIN DUO sind seltsam, leider auf eine anstrengende Weise. Irgendwie Begleitmusik zu einem unberechenbaren Drogentrip. bluNoise halt. Wer´s mag. (2)
http://www.myspace.com/jealousymountainduo

KUNG FU KITTY – „Unleashed“ (Label: Scorp Music, VÖ: 25.06.2012)
(so) Hier hat man sich dem good old Rock verschrieben. Irgendwo zwischen BREEDERS und NO DOUBT findet man ein gemütliches Nest, von dem aus sich die Tanzbeine der Welt bewegen lassen. Nichts wirklich Besonderes, aber schlecht ist sicherlich auch anders. Gute Stimme, gute Melodien, nur der Zauber fehlt. Aber es ist ja auch ein Debüt. (5,5) http://www.myspace.com/kungfukittyband

LOBOMOBILE – „Keep your hair on (7″)“ (Label: Starpark Records, VÖ 27.05.2012)
(bc) Die deutsch-dänische Band haut auf ihrer Single zwei Schweinerock-Songs raus, die mit ihren stampfenden Riffs, der soliden Rhythmus-Fraktion und den knackigen Gitarrensoli durchaus Assoziationen zu Bands wie BACKYARD BABIES oder den HELLACOPTERS wecken. Was jedoch schade ist: Nach gerade einmal sechs Minuten ist der Spaß auch schon wieder vorbei. Ganz ehrlich, Jungs – ein, zwei weitere Lieder hätten doch sicherlich noch raufgepasst. Warten wir mal gespannt, ob noch ein Longplayer folgt. (6,5)
http://www.myspace.com/lobomobile

LOVELAND – „Order to love“ (Label: bellaphon, VÖ: 15.06.2012)
(so) Klar, bei Orgel denkt man sofort an die DOORS. So auch bei LOVELAND. Die hypnotische Wirkung eines Jim Morrison erreicht Lana Loveland nicht, aber „Order to love“ lässt so manches Gefühl der drogengeschwängerten 60er Jahre durchaus aufkommen. Wer gerne mal was Neues neben JANIS JOPLIN stellen möchte, ist hier absolut richtig. (6)
http://www.myspace.com/bandloveland

MAX BONDI – „Convolution“ (Label: Tartaruga Records, VÖ: April 2012)
(jg) Es gibt eine Musikrichtung, die ist mir noch unnachvollziehbarer als Volksmusik: Drone. Minimalistisch. Puristisch. Schlicht. Oder aber: Einschläfernd. Einfallslos. Öde. Immerhin wurde mir diese CD zum Rezensieren ganz aus England zugeschickt. Drücken wir es positiv aus: Klänge. (1)
http://www.myspace.com/maxbondi

NO END IN SIGHT – „Consequences“ (Label: Ampire Records, out now)
(bc) Die Stuttgarter Combo NO END IN SIGHT hat sich nicht weniger als die Mission, die Hardcore-und Metalszene von Rassismus, Faschismus und Religion zu befreien, auf die Fahne geschrieben. Dabei bedienen sie sich fetter Metal-Riffs, groovender Hardcore-Parts und Texten, die auch so mancher Punkband gut zu Gesicht stehen würden. Das Gesamtergebnis erscheint allerdings irgendwie schwerfällig: Doublebass und die gelegentlichen Growls des Sängers wirken häufig deplatziert und rauben den Liedern ein Stück weit ihre Dynamik. Der Mosh-Fraktion könnte „Consequences“ aber dennoch gefallen. (5)
http://www.myspace.com/noendinsightmetal

THE COLORADAS – s/t (Label: Hometown Caravan, VÖ: 15.02.2012)
(jg) Ich liebe die Storytellings von DIGGER BARNES, ich mag die Arrangements von CALEXICO und selbst mit JOHNNY CASH konnte ich mich irgendwann anfreunden. Aber zu letzterem bekennt sich mittlerweile ja fast jeder. Wobei ich mich noch gut erinnern kann, wie grausig ich Country in den Neunzigern fand, als mein Vater ein kleines Faible dafür entwickelte. THE COLORADAS aus Maine machen ihren Job gut, sie haben den Bluegrass ja auch praktisch mit der Muttermilch aufgesogen, aber mich erinnert das doch zu sehr an meine Kindheit und meine damalige Abneigung. (4)
http://www.facebook.com/thecoloradasmusic

THE FORD BRONCOS – „54°33´10°13`“ (Label: Hazelwood, VÖ: 20.04.2012)
(so) THE FORD BRONCOS kommen vom flachen Land. Könnten aber genauso gut in einer Countrykneipe in den USA geboren und aufgewachsen sein. Desert-Pop mit viel Freude am Spiel und der eigenen Dorfvergangenheit im Rücken. Schön produziert und spielerisch wertvoll, guter Begleiter für die nächste Autofahrt. (6)
http://www.myspace.com/thefordbroncos

THE MARPLES – „Hell & damnation“ (Eigenvertrieb, out now)
(bc) THE MARPLES servieren dem Hörer mit „Hell & damnation“ einen erfrischenden Cocktail aus Punk, Rock´n´Roll und B-Movie-Stories. Verpackt in ein gelungenes, an THE CRAMPS erinnerndes Artwork gibt es 14 Songs, die mit ihren schönen Singalongs irgendwo zwischen den BONES und SLOPPY SECONDS einzuordnen sind und dabei ziemlich viel Spaß machen. Etwas deplaziert wirkt allerdings der Song „Ice truck fuck hardcore“, der beinahe wie eine Country-Ballade anmutet und den eigentlich energievollen Longplayer zwischenzeitlich ein wenig ausbremst. Ansonsten aber eine wirklich coole Scheibe, Dudes! (7)
http://www.myspace.com/themarplesrock

THE NOSE – „Blow“ (Label: Gash Records, VÖ 17.02.2012)
(bc) THE NOSE haben uns hier ein Album untergejubelt, dass bereits ein gutes halbes Jahr alt ist und – man muss es leider in aller Deutlichkeit sagen – weitestgehend im Sumpf der Mittelmäßigkeit versinkt. Gradlinige, jedoch relativ unspektakuläre Rockmusik, angereichert mit Elementen aus Pop, Rock´n´Roll und etwas Blues, und dazu eine Sängerin, die zwar ihr Handwerk grundsätzlich versteht, den Songs aber leider viel zu selten ihren persönlichen Stempel aufdrücken kann. Somit klingt das Gesamtresultat eher wie die nette Feierabend-Rockband vom Proberaum nebenan, als nach verschwitztem Kellerclub. Schade. (4)
http://www.myspace.com/thenoseaut

V.A. – „The shape of noise to come“ (Label: bluNoise, VÖ: 22.06.2012)
(jg) Mensch Guido! Was ist los mit Dir? Okay, Du hast schon immer ein Faible für quere Noise-Sounds gehabt. Daher auch der Name Deines Labels. Aber zwischendurch kamen immer wieder so wohlklingende Sachen wie die Debütalben von BLACKMAIL und SCUMBUCKET bei Dir raus, und ich entdeckte durch Dich Bands wie die großartigen CINEMA FAVORIT. Aber in der letzten Zeit? Na gut, mal nicht alle Releases über einen Kamm scheren, doch beim Scouting neuer, unentdeckter US-Bands, die Du uns nun auf der Doppel-CD „The shape of noise to come“ präsentierst, ist so viel unhörbarer Schrott dabei, dass okaye bis gute Bands wie THE YOLEUS, MEGACHURCH, MANY ARMS, D NUMBERS (für Freunde von THE NOTWIST!) und COELACANTH fast untergehen. Mach doch mal wieder etwas zahmer, Junge! (4,5)
http://www.myspace.com/blunoise

Simon-Dominik Otte

Mensch. Musiker (#Nullmorphem). Schauspieler (#BUSC). Rezensent (#blueprintfanzine). Come on, @effzeh! AFP-Fan. (#Amandapalmer). Lehrer. Und überhaupt. Und so.