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HASS – Kacktus

Trotz umfangreicher Deutschpunk-Sozialisation bin ich mit HASS bisher nie so richtig warm geworden. Zwar gelten die frühen Veröffentlichungen der 1978 gegründeten Punk-Urgesteine aus Marl heutzutage zweifellos als Klassiker, doch für meinen Geschmack klangen sie immer ein wenig zu pomadig. Dementsprechend verhalten war meine Begeisterung, als die zwischenzeitlich aufgelöste Band im vergangenen Jahr ihr Comeback bekannt gab und zugleich ihr erstes Album seit 14 Jahren ankündigte. Umso positiver bin ich nun überrascht, denn auf „Kacktus“ klingen HASS so frisch und überzeugend wie nie zuvor. Das liegt zum einen sicherlich auch an der druckvollen und für HASS-Verhältnisse ungewohnt aufgeräumten Produktion, vor allem aber daran, dass die Band ein Stück weit melodischer geworden ist, ohne dabei ihre Bissigkeit zu verlieren. Dank Besetzungsrotation agiert man mittlerweile mit zwei Gitarren, wodurch sich neue Möglichkeiten in puncto Songwriting ergeben (bei „Hungersnot in der BRD“ kommt gar ein Akkordeon zum Einsatz), und auch, was die Qualität des Gesangs angeht, hat man einen deutlichen Schritt nach vorne gemacht. Unverändert kämpferisch geben sich HASS hingegen in den Texten. Egal ob sich die Kritik gegen gesellschaftliche Zustände („Tote Fische“, „Zurück in die Psychiatrie“, „Rattengift“…) oder die eigene Szene („Anarchie“, „Superpunk“) richtet – hier wird kein Blatt vor den Mund genommen, sondern in unmissverständlichen Worten angeprangert. Wie heißt es so schön im Opener „Mit wehenden Fahnen“: „Unser Widerstand geht weiter, solange wir noch stehen, werden unsere Fahnen wehen und wir niemals untergehen!“. Spätestens seit diesem Album glaube ich ihnen das ohne Weiteres.

Bernd Cramer

Konzert-Junkie & Vinyl-Liebhaber. Schreibt über Musik, ohne zu Architektur zu tanzen.