GUTS PIE EARSHOT – Chapter two, volume two

Punk sein, ohne Punkrock zu spielen – auf kaum eine andere Band trifft diese Aussage wohl dermaßen zu wie auf GUTS PIE EARSHOT. Zu Anfangszeiten war die aus der Kölner Hausbesetzer-Szene stammende Formation noch zu fünft und zwar mit Keyboard und Cello, jedoch ohne Gitarre unterwegs und versuchte bereits zu dem Zeitpunkt, die gängigen Normen der eingefahrenen Punk-Szene zu sprengen. Seit 2006 besteht die Band nur noch aus dem Cellisten und dem Schlagzeuger, die seitdem mit ihren Instrumenten einen Sound fabrizieren, der in dieser Form wohl ziemlich einmalig ist. Und ebenso ungewöhnlich wie ihre Musik ist die Vorgehensweise, aus der das Album „Chapter two, volume two“ entstanden ist: Hierbei handelt es sich nämlich nicht um ein neues Album im eigentlichen Sinn, sondern die Band hat sich vielmehr dazu entschlossen, ihr mittlerweile ausverkauftes Album „Chapter two, volume one“ noch einmal komplett neu aufzunehmen, anstatt ein weiteres Rerelease auf den Markt zu werfen. Inwiefern sich die Neuaufnahme vom Original unterscheidet, kann ich leider nicht beurteilen, da ich das ursprüngliche Album zugegebenermaßen nicht kenne. Doch was ich hier zu hören bekomme, ist beeindruckend: GUTS PIE EARSHOT fabrizieren wirklich unglaublich abwechslungsreiche Klanglandschaften, lärmen stellenweise vor sich hin (ein Cello kann in Kombination mit einem Verzerrer echt fies klingen!), erschaffen an anderer Stelle aber auch wieder eine beinahe schon spirituelle melancholische Atmosphäre. Ein abenteuerlicher, instrumentaler Mix aus Art-Punk, Folk und Klassik, der gleichermaßen über das Potential verfügt, den einen Hörer zu fesseln, während er den anderen wiederum problemlos in den Wahnsinn treiben kann. Reinhören sollte man auf jeden Fall mal, alleine um zu sehen, zu welcher dieser beiden Möglichkeiten man selber tendiert.

Bernd Cramer

Konzert-Junkie & Vinyl-Liebhaber. Schreibt über Musik, ohne zu Architektur zu tanzen.