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GIGLINGER – 200 bpm (7″)

Die älteren Semester unter euch erinnern sich vielleicht noch verschwommen daran, dass Punk früher einmal auch irgendetwas mit Rebellion und Verweigerungshaltung zu tun hatte. Damals dudelte noch kein weichgespülter Pop-Punk im Radio rauf und runter, es gab noch keine Nietengürtel bei H&M zu kaufen, und man hat als Band seine Platten selber für einen kleinen Kreis Gleichgesinnter veröffentlicht. GIGLINGER aus dem schönen Helsinki scheinen genau diesen alten Spirit nachzuleben und packen in puncto Verweigerungshaltung sogar noch einen oben drauf: „No gigs, no bullshit, just 4 song vinyl ep´s“ ist die klare Ansage der Finnen, und diese wird auch konsequent in die Tat umgesetzt. Bereits optisch verzichtet man bei der mittlerweile vierten 7″-EP auf jeglichen Schnickschnack. Lediglich ein preisschildähnlicher Sticker auf der schwarzen Papphülle gibt einen Hinweis auf Band und Plattentitel. Wer weitere Informationen erhaschen will muss versuchen, brauchbaren Input aus der schwarz-weissen Bleiwüste auf den Schallplattenetiketten herauszufiltern. Und auch musikalisch sind GIGLINGER keineswegs auf Kuschelkurs, denn sie hauen einem vier live eingespielte, schonungslose Punk-Kracher in garagig-krachiger Aufnahmequalität um die Ohren, mit denen sie sich außerhalb der D.I.Y.-Punkszene bestimmt keine Freunde machen. Vor allem der letzte Song „Lies and the lying liars“ geht voll auf die Zwölf und endet in einem Chaos aus Lärm und Rückkopplungen. Ich persönlich finde die Band und ihre Anti-Haltung auf eine gewisse Weise sympathisch, allerdings muss man schon mindestens auf der Anarchopunk-Wellenlänge liegen oder ein begeisterter Plattensammler sein, um mit diesem Tonträger glücklich zu werden.

Bernd Cramer

Konzert-Junkie & Vinyl-Liebhaber. Schreibt über Musik, ohne zu Architektur zu tanzen.