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ESCAPADO – Initiale

Anfangs dachte ich an einen Scherz, als ich hörte, das neue Album von ESCAPADO solle auf dem Label Grand Hotel van Cleef rauskommen. Denn der hier vorliegende deutschsprachige Hardcore hat mit den sonstigen Veröffentlichungen auf dem Label auf den ersten Blick so gar nichts gemeinsam. Wenn man jedoch den Werdegang der Labelbetreiber genauer betrachtet, ist die Veröffentlichung nicht mehr ganz so verwunderlich, da diese teils selber ziemlich tief in der Punk- und Hardcore-Szene verwurzelt waren und Markus Wiebusch bereits mit seinem alten Label B.A.-Records Platten von den kanadischen HC-Bands I SPY und PROPAGANDHI veröffentlicht hat.
Mit ESCAPADO hat sich das Grand Hotel aber auch keine „gewöhnliche“ Hardcore-Band an Land gezogen, denn die Norddeutschen ignorieren gekonnt die gängigen HC-Klischees und liefern mit „Initiale“ eine äußerst vielseitige Platte ab, die vor allem durch den ständigen Wechsel zwischen ruhigeren, melancholischen Fragmenten und explosiven Lärm-Parts einzigartig in der deutschen Musiklandschaft erscheint: Die ruhigeren Momente veranlassen einen beinahe schon zum Mitsummen, bevor diese frisch entfaltete Harmonie der Songs wieder brachial durch ein wüstes Hardcore-Gewitter in Stücke gerissen wird. Nicht zuletzt durch diese ständige Achterbahnfahrt aus Melodie, Härte, Gesang und Geschrei schafft es das Album immer wieder, den Hörer mitzureißen, zumal ESCAPADO eine enorme Energie an den Tag legen, die jedes Duracell-Häschen vor Neid erblassen lässt.
Ein wenig aus dem Rahmen fällt auf dieser CD das eher ruhige Stück „Solange Du weißt“, welches man fast schon als Indie-Rock-Ballade bezeichnen könnte und das wohl am ehesten als Anknüpfpunkt zu den übrigen Labelprodukten gesehen werden kann. Derartige Überlegungen dürften bei der Veröffentlichung dieser Platte jedoch keine Rolle gespielt haben. Hier geht es ganz gewiss nicht um kommerziellen Erfolg, wie einige Leute dem Label gerne mal unterstellen. Stattdessen haben GHvC wie immer nur das gemacht, worauf sie gerade Lust hatten: sie haben in diesem Fall einfach mal eben eine der besten deutschsprachigen Hardcore-Platten der letzten Jahre auf die Menschheit losgelassen.

Bernd Cramer

Konzert-Junkie & Vinyl-Liebhaber. Schreibt über Musik, ohne zu Architektur zu tanzen.