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DIAMOND DOGS – That’s entertainment

Bevor ich in den Genuss einer Privatvorstellung der DIAMOND DOGS komme, hatte ich noch Gelegenheit, mit deren Sänger Sulo, der erst kürzlich ein Solo-Album veröffentlicht hat, ein wenig zu plaudern. Ein grundsympathischer Mann und in bester Redelaune. Eigentlich brauchte man nur ab und zu mal ein Stichwort in die Runde zu werfen, und Sulo bestritt das Interview im Grunde alleine. Allerdings bringt es die Interviewerin, die Ende der 70er noch in die Windeln gemacht hat und eigentlich auch eine ganz andere Baustelle als 70er Jahre Rock bearbeitet, etwas in Verlegenheit, wenn sie ständig kleinlaut zugeben muss, dass man diese und jene Band zwar vom Namen, aber nicht deren Musik kennt. Sulo hingegen dürfte in den 70ern schätzungsweise ein Teenager gewesen sein, der begierig sämtliche britische Rockmusik aufgesogen und verinnerlicht hat. Die Ungnade der späten Geburt also (oder aber die lahme Ausrede der Interviewerin).

[F]Habt ihr euch eigentlich tatsächlich nach DAVID BOWIE’s Album “Diamond Dogs” von 1974 benannt?
[A]Eigentlich weiß ich das gar nicht mehr so richtig. Es ist jetzt immerhin schon 14 Jahre her, dass Boba, der bei den HELLACOPTERS Keyboard spielt, und ich die Band gegründet haben. Aber wahrscheinlich kommt der Name schon von DAVID BOWIE. Allerdings haben wir auch festgestellt, dass es diesen Namen bereits öfter gab. Wir wollen aber nicht, dass die Leute denken, wir würden wie DAVID BOWIE klingen. Das tun wir nämlich nicht. Am Ende wären sie enttäuscht.
Für gewöhnlich werden wir mit ROD STEWART und den FACES, generell mit der britischen Rockszene in den frühen Siebzigern verglichen. Wir mögen diese sehr britische Art der frühen Siebziger. So schreiben und spielen wir unsere Songs. Man könnte sagen, die DIAMOND DOGS sind eine Early-Seventies-Soulful-Rockband. Ich werde wohl langsam auch der ewigen ROD STEWART-Vergleiche müde. Obwohl ich nichts dagegen habe. ROD STEWART ist immerhin einer der besten Showmänner im Rockbusiness und wird es auch immer sein. Unser Hauptziel ist, die Leute zu unterhalten und eine gute Show zu liefern. Das gibt es heute nicht mehr so oft.

Nachdem ich mich nicht gerade als Kenner der 70er Jahre, mal abgesehen von DAVID BOWIE, oute, insistiert Sulo, dass es nie zu spät wäre, diese Musik wieder zu entdecken und spricht von Bands wie MOTT THE HOOPLE, T-REX oder SLADE. Zumindest kommen wir überein, dass BOWIE in den Achtzigern furchtbar war. In seinen Augen fing das allerdings bereits mit „Heroes“ an und hat sich seitdem auch nicht wieder geändert. Im Gegensatz zu den ROLLING STONES, die mit ihrem neuen Album das beste seit 1975 gemacht hätten. Man müsse in Würde altern können, sagt Sulo und meint damit auch DAVID BOWIE. VAN MORRISON, den Sulo besonders schätzt, zum Beispiel bringe immer noch alle zwei Jahre ein Album raus, das mindestens vier bis fünf brillante Songs enthält.

[F]Nochmal zurück zur Bandgeschichte. Du und Boba von den HELLACOPTERS habt die Band gegründet. Ende der Neunziger gab es dann aber eine kleine Pause.
[A]Wir haben bis 1996 zusammen gespielt und wollten gerade unser zweites Album aufnehmen, aber es wurde nicht mehr als eine Single daraus. Da haben wir uns erstmal getrennt und beide in anderen Bands gespielt. Dann war da diese Plattenfirma, die ein paar Demos gehört hatte und mit uns eine EP machen wollte. Also haben wir das aus Spaß gemacht und die Sache in 24 Stunden aufgenommen. Das war 1999. Jedenfalls ist Spanien danach richtig abgegangen. Sie wollten, dass wir dort auf Tour gehen. Und das nach nur einer EP. Also haben wir alles, was wir hatten, aufgenommen und ein Album daraus gemacht, das richtig gute Kritiken bekommen hat. Da waren wir selbst erstaunt. Ich denke, die Leute haben einfach diese Art Musik vermisst. Es gab viel Garage und Punkrock zu der Zeit und wir machten klassischen Rock’n’Roll. Die Spanier mögen das, und ich denke, die Deutschen auch. Danach hatten wir gut zu tun, haben nach dem ersten Reunion-Album noch eine EP aufgenommen, sind wieder getourt, haben das zweite Album aufgenommen. Dann sollte es eigentlich wieder eine EP geben, aus der jedoch ein ganzes Album wurde. In 2004 erschien schließlich „Black river road“ und später im selben Jahr noch das Split-Album „Atlantic Crossover“ mit der Punklegende JEFF DAHL aus San Diego. Im Frühjahr diesen Jahres erschien mein Solo-Album. Im Sommer gab es eine kurze Tour durch Deutschland. Und danach haben wir uns an die Aufnahmen für das neue Album gemacht.

[F]Wann soll es denn veröffentlicht werden?
[A]Der Plan sieht Ende Februar vor. In England und Kanada haben wir gerade eine Compilation herausgebracht, „Bound to ravage“. Eine Compilation macht es manchmal einfacher, an die Leute heranzukommen. Wenn sie die mögen, werden sie auch auf den Backkatalog zurück greifen. Das macht sicherlich auch gerade in Zeiten, wo es der Musikindustrie nicht unbedingt gut geht, Sinn. Wir haben nun mal genau in der Zeit Platten veröffentlicht, wo es der Musikindustrie beschissen ging. Eigentlich haben wir die ganze Zeit ununterbrochen aufgenommen, veröffentlicht und getourt. Aber wir lieben es. Andernfalls sollte man auch nicht in diesem Business sein.

[F]Du sagtest, dass es euch bereits 14 Jahre gibt. Dennoch kennt man euch hier in Deutschland noch nicht wirklich.
[A]Wir haben hier gerade erst angefangen. Eigentlich wollten wir schon zwei oder drei Mal durch Deutschland touren, mussten aber jedes Mal wieder absagen, weil irgendwer krank wurde. Jetzt arbeiten wir aber mit einem tollen Promoter zusammen.
Wir haben auch gerade angefangen, in Polen zu spielen. Vor kurzem hatten wir eine Show in Warschau vor 1500 Leuten und einige TV-Interviews, unter anderem mit MTV. Dann geht es auch noch kurz nach Ungarn und natürlich wieder nach England. In der Tat kommen wir eigentlich gerade aus England. In London hatten wir eine super Show mit dem Kerrang-Magazine und diversen Presse-Leuten. Im UK sind wir ja schon mit HANOI ROCKS, mit NAZARETH und den legendären THE DAMNED auf Tour gewesen. Überhaupt mögen wir eigentlich keine Day-Offs, wenn wir unterwegs sind. Lieber spielen wir dann in irgendwelchen kleinen Pubs oder Clubs.

[F]Man könnte euch ja vorwerfen, dass ihr eurer Musik nichts Neues hinzufügt, im Gegensatz zu anderen Bands wie JET, die mit einem Bein in den Siebzigern, mit dem anderen jedoch im Hier und Jetzt stehen.
[A]Schon, aber die Kids kennen richtigen Seventies-Rock ja nicht. JET sind doch eher Punkrock und klingen sehr nach 2005. Nichtsdestotrotz mag ich sie sehr. Sie klingen wie eine Band, die eher die HELLACOPTERS als MC5 gehört hat und die jetzt ihr eigenes Ding durchziehen. Für meinen Geschmack zuviel Verzerrung. Aber du kannst uns nicht mit ihnen vergleichen. Wir sind von der alten Soul-Schule. Sie hingegen klingen definitiv nicht britisch, sondern amerikanisch. Man könnte uns eher mit den BLACK CROWES vergleichen, obwohl sie mehr in Richtung LED ZEPPELIN und Hardrock gehen. Aber solange es auch Bands wie JET gibt, gibt es zumindest noch Hoffnung für die Zukunft.

[F]Gibt es denn überhaupt aktuelle Bands, die du magst?
[A]Ja schon, die haben aber nichts mit der Musik zu tun, die ich mache. Zum Beispiel DEATH CAB FOR CUTIE. Von den MAGIC NUMBERS war ich etwas enttäuscht. Dann gibt es diesen Typ aus Sheffield, RICHARD HAWLEY, der gerade „Coles Corner“ heraus gebracht hat. Und die RAKES, auch so eine neue britische Band. Nun ja, ich bin ein Plattensammler und kaufe so ziemlich alles, von dem ich denke, dass es gut ist. OCEAN COLOUR SCENE gibt es auch immer noch. Die sind brillant. Aber mal davon abgesehen hole ich mir trotzdem lieber die alten Sachen. Die sind immer noch besser als all das neue Zeug. Die anderen beschweren sich ja ständig, dass ich überhaupt nichts Aktuelles mögen würde.
Ich denke, die HELLACOPTERS sind überhaupt die beste Band. Und natürlich die BACKYARD BABIES, eine fantastische Live-Band. Dregen ist wirklich einer der besten Performer. Das bewundere ich. Schweden generell hat so viele gute Bands hervor gebracht. Warum auch immer.

Mit seinen Landsmännern MANDO DIAO kann er übrigens überhaupt nicht, erklärt er mir lang und breit, als ich mich aus reiner Neugierde mal erkundige. Einerseits, weil er keine Substanz in ihrer Musik sieht und andererseits, und das ist viel entscheidender, stört er sich an deren großkotziger Attitüde. So was würde vielleicht noch okay gehen, wenn man OASIS heißt und ein paar wirklich gute Songs geschrieben hat. Nein, eine Band müsse ihr Publikum schon zu schätzen wissen. Selbst wenn nur vier Leute zu einer Show erscheinen, würden sie alles geben, sagt Sulo und sollte es an diesem Abend auch noch beweisen. What you are on stage that’s what you are!

[F]Noch eine Frage zu deinem Solo-Album. Hätte es nicht ebenso gut ein akustisches DIAMOND DOGS-Album werden können? Immerhin waren alle DIAMOND DOGS-Mitglieder bis auf Jesper (und das auch nur, weil es keine Drumparts gibt) darin involviert. Also wo liegt der Unterschied?
[A]Es gibt in der Tat keinen so großen Unterschied. Es ging eher darum, dass ich diesmal alles so machen konnte, wie ich wollte. Welcher Song aufgenommen wird und so weiter. In der Band entscheiden wir solche Dinge immer zusammen. Aber der Stil ist dem der DIAMOND DOGS schon sehr ähnlich. The Duke, unser Keyboarder, hat es produziert.
Es klingt sehr retro, und genau das war auch meine Absicht. Darum verstehe ich auch nicht, warum manche Rezensenten sich darüber echauffieren. Wer ist denn heute bitte nicht retro? Die HELLACOPTERS sind retro und klingen wie MC5. MANDO DIAO sind auf jeden Fall retro. Es gibt so viele gute Bands in der Musikgeschichte. Das muss man den Kids zeigen, sonst denken sie am Ende noch, MANDO DIAO hätten den Rock’n’Roll erfunden.

Tack så mycket!