DIAGRAMS – Black light

Grammy-Verleihung 2012: BON IVER gehen mit zwei Auszeichnungen nach Hause. Für mich der Tiefpunkt einer Entwicklung, die sich schon seit ein paar Jahren hinzieht. Neo-Folker und Singer/Songwriter überschwemmen den Markt mit meist unsäglichen Alben. Meine Toleranzgrenze in Sachen bärtige Fistelstimmen und watteweichem Gegreine ist jedenfalls überschritten. Deshalb gab es schon gewisse Vorbehalte gegenüber „Black light“ von DIAGRAMS. Doch was der Ex-TUNNG Sam Genders hier mit seinen Helferlein und einem Lastwagen an Instrumenten auftischt, ist schlicht großartig! Folk, Pop, Elektro, Indie, keine Schublade passt wirklich, oder vielmehr passen alle. Die Symbiose unterschiedlichster Einflüsse gelingt hier in jedem Song. Streicher jubilieren über Sequenzerbeats, FLEET FOXES bekommen Tanzbeine, DEATH CAB FOR CUTIE engagieren PETER GABRIEL als Sänger, HOT CHIP auf Folktrip, SUPER FURRY ANIMALS entdecken die Macht des Schönklangs. Die Assoziationen wollen nicht abreißen und ehe man sich versieht, muss man das Album von vorne starten. Die superdetaillierte, sehr präzise Produktion unterstützt die ohnehin schon großartigen Songs und entfaltet in jedem Song immer wieder neue, überraschende Facetten und über Albumlänge das Gefühl einem randvollen, brodelnden Schmelztiegel voller Ideen, Melodien und Klänge zu lauschen. Und immer wieder wird man mit der Erkenntnis überrascht, dass all diese warmen, hochmelodischen Kleinode elektronisch geerdet sind, dass all die Chöre, Bläsersätze und Streichersequenzen wunderbare Ergänzungen und nie aufgesetzter Tand sind. Größtes Plus dieses Albums sind jedoch die Beats, nicht selten sogar ziemlich sexy funky, die jedem Song unterlegt sind und all den wimmernden Freak-Folkern die letzten Spaghettis aus den Vollbärten zuppeln. Wenn DIAGRAMS demnächst mit „Tall buldings“ zum Tanze bitten, werden BON IVER und Co. sich wieder in ihre hinterwäldlerische Jagdhütte zurück wünschen. DIAGRAMS machen Hoffnung, dass Großartiges zwischen allen Stühlen auch weiterhin möglich sein wird. Was in diesem Folkpopelektro-Kontext noch alles möglich ist, zeigt der Hidden-Track mit seinem zügellosen Drums zu sphärischen Gesängen, den gesampelten Modem-Einwählgeräuschen und den nostalgischen Klängen einer Rickenbacker. Da verdreht der halbwüchsige Nerd, wie auch der ergraute BOF verzückt die Augen. Anspieltipps: alles.