COCKS ARQUETTE – s/t

Niles: Sind wirklich so viele Musiker nötig?
Frasier: Für den Sound, den ich will, ja.
Niles: Was wurde aus dem Konzept „Weniger ist mehr“?
Frasier: Ah, wenn schon weniger mehr ist, was meinst du, wieviel mehr „Mehr“ dann ist?
(Dr. Frasier Crane in „Nur ein kleines Lied“ – Frasier, Staffel 7, Folge 13)

Die erklärten Maximalisten von COCKS ARQUETTE (na ja, das Wort taucht im Info auf) würden sich Frasiers Haltung zum Musikmachen wohl problemlos anschließen können: Obwohl nur zu fünft, haben sie bei ihren Auftritten kaum Platz auf der Bühne, um zwischen all den Instrumenten zu stehen, geschweige denn, sich zu bewegen (neben den für eine Rockband typischen haben sie noch Keyboards, Synthesizer, viele, viele Effektgeräte und was weiß ich noch, seht’s euch selbst auf YouTube an). Mit sowas führt man natürlich keine streng arrangierten minimalistischen Kompositionen auf, sondern schöpft aus dem Vollen und zwar eigentlich permanent. Ihre Musik kann dem schwammigen Genre ‚Noise’ zugerechnet werden, dem man sich vom Punkrock kommend nähert.
Das gab’s schon oft und wird daher auch schnell langweilig, aber die dreieinhalb Stücke auf diesem live eingespielten und ohne Overdubs abgemischten Album sind abwechslungsreich genug, um mich fast durchgehend in ihren Bann zu ziehen: Zunächst monoton wirkende, sich langsam steigernde Noiserockpassagen (besonders beeindruckend in „This changes nothing“, das von einem steiternden Tischtennisball angezählt wird) stehen neben geisterhaften, verhallten Klangebenen, die an die eher sphärischen Teile der Musik THROBBING GRISTLEs erinnern, um dann plötzlich in ein MELVINS-mäßiges Monsterrock-Riff zu münden, über das nahezu melodisch gebrüllt wird – „Then leave“, das letzte Stück, wird so fast zu einer Art Hit, ein Industrial-Sludge-Hit zwar, aber immerhin. Die Orientierungslosigkeit, die in Songtiteln wie „Considerably fucked“ oder „Pointlessly vindictive“ zum Ausdruck kommt, wird nie vollständig auf die Musik übertragen – alle Stücke verfügen über eine gleich beim ersten Hören erkennbare (wenn auch recht grobe) Struktur. Und weil COCKS ARQUETTE es mühelos hinbekommen, aus ihren schleifenden, rauschenden Noise-Welten in den Modus einer Rockband zu schalten, deren Emotionalität teilweise an NIRVANA zu „Bleach“-Zeiten erinnert (besonders an die Stücke mit Dale Crover), überträgt sich die Verzweiflung (siehe hierzu auch das kryptische, nihilistische Traktat auf dem Backcover) ungebremst auf den Hörer. Ihre Musik ist so auch viel zugänglicher als die vieler anderer Bands aus dieser Ecke (wie z. B. die ähnlich ausgerichteten WOLF EYES).
Steven Ellison von FLYING LOTUS hat den Begriff ‚Noise’ neulich in einem Artikel der Süddeutschen Zeitung für das permanente Rauschen unserer Egos verwendet, dem wir in unserem Alltag ausgesetzt sind (Gedanken, die sich aus beruflichen Pflichten ergeben, Internetgelaber usw.) – und diesem seine Musik gegenübergestellt. In diesem Sinne hat man es auch bei COCKS ARQUETTEs Musik mit dem Gegenteil von ‚Noise’ zu tun: Man wird von der Band so lange durch ein ziemlich fieses Klanglabyrinth geschoben und geschubst, bis dieses zum Schluss eher tröstlich wirkt, man über sich hinaus wächst und sich nach den fast vierzig Minuten dieses Albums erstaunlich leicht und gut fühlt.