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ANTI-FLAG – Für eine bessere Welt

ANTI-FLAG haben immer was zu sagen. Mein letztes Interview mit #2 vor knapp zwei Jahren dauerte ca. 45 Minuten, und ich habe vielleicht so 15 Fragen gestellt. Aber so ist das nun mal, wenn eine Band sich engagiert.
Im März kommt die neue CD „For blood and empire“ beim Sony-Ableger Red Ink, und da die Mannen schon bis Oktober verplant sind, müssen sie halt schon vor offizieller VÖ in Deutschland touren, will ja jedes Land bereist sein…

[F]Ein neues Jahr, eine neue Platte, ein neues Label. Was geht für ANTI-FLAG in diesem Jahr?
[A]Sehr viel. Es wird ein anstrengendes Jahr für uns. Wir sind jetzt schon bis Oktober gebucht, aber das ist gut, wir werden viele Leute treffen und viele Städte besuchen.

[F]Habt ihr eure Familien die ganze Zeit dabei?
[A]Nein, unsere Partner haben ihr eigenes Leben und können nur selten dabei sein. Wir sind zwischendurch immer mal ein paar Tage zu Hause, aber es ist schon eine harte Zeit.

[F]Ihr engagiert euch für viele Projekte. Wie schwer ist es für euch, gut informiert zu sein, wenn ihr solange unterwegs seid? Bleibt da nicht einiges auf der Strecke?
[A]Naja, für uns persönlich, ja. Aber wir haben sehr viele Leute, denen wir vertrauen. Daher werden wir immer gut über alles Wichtige auf dem Laufenden gehalten. Manchmal hat man auf Tour auch einfach keine Lust, die Zeitung zu lesen, Nachrichten zu schauen oder sich zu informieren, weil man einfach einen schlechten Tag hat, und gerade dann ist es sehr wichtig, dass wir viele Leute haben, die sich für uns kümmern und die uns informieren, was Wichtiges in der Welt passiert.

[F]Die gleichen Leute, die auch für euch Essays schreiben?
[A]Ja, zum Teil. Denn diese Aufsätze sind für uns fast genauso wichtig wie die Texte der Songs. Man kann in drei Minuten einfach nicht einen Chorus und zugleich noch alle relevanten Informationen unterbringen. Daher ist es uns sehr wichtig, auch die Hintergründe zu vermitteln.

[F]Was steht hinter dem neuen Albumtitel? „For blood and empire“ klingt fast wie ein militärischer Werbeslogan…
[A]Ja, das ist es auch. Die Regierung Bush versucht, eine Stimmung zu erschaffen, in der alles zum nationalen Wohle geschieht. Das Wir-Gefühl, eine Einheit wird geschaffen, um das Reich, das über die Grenzen hinausgeht, zu schützen. Diese Stimmung wollen wir für uns nutzen, allerdings keineswegs im militärischen Sinne. Das Album sagt aber auch gleichzeitig, das ist nicht die Richtung in die wir wollen, wir müssen bessere Wege finden.

[F]In den Essays wird häufig zu „postalischer Gewalt“ – um es mal so auszudrücken – aufgefordert.
[A]Ja, das ist richtig. Denn körperliche Gewalt wird von Macht unterdrückt. Würden wir Kongressabgeordnete attackieren, so würde die Regierung mit Panzern, Polizisten, Soldaten, etc. einfach mit einem ganzen Heer über uns herfallen und vernichten, genau das, was sie möchten. Wir sollen die Outlaws sein, die sie zum Schutze eliminieren. Genau das soll aber nicht passieren. Deswegen setzen wir uns für einen möglichst gewaltfreien Protest ein, der hauptsächlich über verändertes Bewusstsein zustande kommt. Im Spannungsverhältnis zwischen Macht und Protest, wird immer die Macht siegen, wenn es zu Gewalttaten kommt, denn sie haben einfach die komplette Kriegsmaschinerie und den Staatsapparat.

[F]Ist Armut eine notwendige Voraussetzung für eine Bewusstseinsänderung?
[A]Ich hoffe nicht, denn das wäre sehr, sehr traurig. Die Menschen sollten immer an ihre Umwelt und die soziale Verantwortung denken und nicht nur dann, wenn sie arm sind und schon nichts mehr zu verlieren haben.

[F]Aber wie kann jemand, der kaum Geld hat, sich z.B. Bio-Produkte leisten und auch sonst auf das achten, was er kauft, wie er lebt?
[A]Das ist so eine Sache, da gebe ich dir Recht. Jeder sollte ein Recht und die Möglichkeit haben, genetisch nicht verändertes, gesundes Essen zu bekommen. In Amerika ist es leider oft so, dass nur die Reichen sich so etwas leisten können, was eine Schande ist.

[F]Wird die Kluft zwischen arm und reich letztlich dazu führen, dass eine Umwälzung des Systems mit Tausenden von Menschen auf den Straßen stattfinden wird?
[A]Ich wage es zu bezweifeln, da oftmals die Leute in ihrer Armut eingehen und sich nicht mehr aktiv in der Gesellschaft einbringen. Ich hab vorhin schon mal so was in der Art gesagt, man müsste die Menschen jetzt, in der heutigen Situation überzeugen sich zu ändern, aktiv zu werden und für bessere Verhältnisse zu sorgen, dann gäbe es keine wachsende Kluft mehr, dann könnten sie sich eventuell unbehandeltes Essen leisten, ein einfacheres Leben führen.

[F]Es gibt da einen Song auf eurem neuen Album der „The project for a new american century“. Was wäre aus eurer Sicht ein sinnvoller Weg, ein neues Amerika zu schaffen?
[A]Es gab mal eine Kampagne der Konservativen in den späten Neunzigern, die darauf abzielte, an vielen Fronten Kriege zu führen, um die Welt angeblich sicherer zu machen und vermeintlichen Terroristen zu zeigen, wer der Herr im Hause ist [freie Übersetzung von „kick their asses“], um dann auch ihre Ölreserven im Mittleren Osten zu übernehmen, natürlich alles unter dem Deckmantel der weltweiten Sicherheit. Viele der Leute, die dieses Programm unterstützen, zum Beispiel einer der Brüder von G.W. Bush und Chaney fangen nun an, nachdem Bush an der Macht ist, diese Gedankenspiele umzusetzen, und das ist sehr bedenklich. Es geht einfach nur noch um Machtspiele und die ökonomische Weltherrschaft.
Für uns müsste in einem neuen Amerika der Wohlstand umverteilt werden. Jeder sollte zudem das Recht auf gesunde, nicht genetisch veränderte Nahrung haben, und es dürften keine Kriege mehr geführt werden. Das bezieht sich aber nicht nur auf die USA, das sollte überall so sein.

[F]Was wäre deiner Meinung nach die beste Regierungsform für so eine Umwälzung?
[A]Eine Regierung, die an Gesetze zwingend gebunden ist, und deren Einhaltung strikt kontrolliert wird, und die zudem noch den Wohlstand so verteilt, dass alle gut leben können. Das ist immer die beste Variante.

[F]Und zum Abschluss noch mal die Frage nach dem „Sell-Out“…
[A]Ach ja, weißt du, als wir damals unsere erste Platte bei New Red Archive veröffentlichten, hieß es in unserem Umfeld schon, dass wir uns verkaufen würden. Das war lange, lange, lange bevor der Deal mit RCA überhaupt in greifbare Nähe rückte. Wir mussten uns also ständig mit diesem Vorwurf auseinandersetzen und sind dabei aber immer unseren Weg gegangen. Es bedeutet für uns gar nichts mehr, wenn man uns so bezeichnet, wir wissen, wer wir sind und wo wir herkommen. Unsere Ideale und unsere Herkunft haben sich nicht verändert, wir achten sogar noch mehr darauf.

[F]Konntet ihr viele Bekannte und Freunde weiterhin in eurem Umfeld behalten?
[A]Das ist das Komische. Viele Leute, wie zum Beispiel Sash in Deutschland, kümmern sich weiter um uns und unser Label. Es sind viele alte Gesichter geblieben, viel hat sich nicht verändert, auch die Aufnahmen zum neuen Album nicht. Wir machen immer noch das Gleiche wie früher, ich weiß nicht, ob das gut ist oder nicht…

[F]Habt ihr keine Angst, dass eure Songs plötzlich in einer Auto-Werbung oder einem Cola-Spot auftauchen?
[A]Nein, davor haben wir keine Angst. Wir haben von Anfang an sehr klar und deutlich gesagt, was wir wollen und was nicht und RCA ist da auch ein wenig ängstlich und sie fragen sehr viel, weil sie uns nicht auf die Füße treten wollen. Wir haben daher eine sehr gute Kommunikation und reden über viele Dinge. Und die Kampagnen für die Platte haben wir alle selbst gestaltet, da gibt es also auch keine Probleme oder bösen Überraschungen.

[F]Macht es was, dass ihr den „Parental Advisory“ Aufkleber auf der Platte habt?
[A]Nein, das ist ok, daher gibt es nämlich keine Pieptöne auf dem Album. Wir kommen dadurch vielleicht nicht in die großen Läden, aber das ist uns egal. Platten in den USA zu verkaufen, ist einfach eine merkwürdige Sache, die Läden haben da merkwürdige Vorstellungen, was sie tolerieren und was nicht. Aber viele Leute, die ich kenne, schauen extra darauf, ob die Platte einen Sticker hat, weil sie dann genau wissen, dass es nicht so eine durchgepiepte Scheiße ist.

Weitere Links zu Dingen, die ANTI-FLAG unterstützen:

http://www.militaryfreezone.org/
http://www.democracynow.org/
http://www.afterdowningstreet.org/