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Unten am Havn – Copenhagen meets Hamburg

Dänemark – das Schweden des kleinen Mannes. Nicht nur in Sachen Verkehrspolitik ganz weit vorn, auch musikalisch spielt der Däne mit seinem skandinavischen Flair souverän in der Champions League. Besonders vorbildlich ist hier natürlich die Fahrrad- und Musikhauptstadt Kopenhagen. So machten sich tatsächlich kürzlich sieben Hamburger Bezirksamtsleiter gemeinsam auf die Reise, um mal vor Ort zu schauen, wie es funktionieren kann, neben der lärmenden, stinkenden Umweltkatastrophe „Auto“ verstärkt eine intelligente Fortbewegungsalternative namens „Fahrrad“ zwischen den Blechlawinen unterzubringen. Das ist doch schon mal ein Anfang. Burn Fat not Oil, Suckers! Und für die Erweiterung des musikalischen Horizontes lud sich der Hamburger am vergangenen Wochenende dänische Botschafter der Popmusik an die Elbe. „Unten am Havn – Copenhagen meets Hamburg“ heißt das Kulturfestival im ehemaligen Englandfährterminal, das nach dem Pop-Weekend noch bis zum 6. September allerlei experimentelle Kunst im Programm hatte. Aber sorry, nichts für mich!

„Cause what you now hear
is the same thing you hear when you put your ear close to my heart
and that´s why I like music better than art“
(RANDY, Örebro 2005).

Die Location selbst war mir Kunst genug. Ein riesiger gläserner Klotz aus Beton und Stahl direkt am Wasser, der seit der Einstellung des Fährbetriebes seine Daseinsberechtigung sucht und vielleicht in der Ausrichtung von Events dieser Art gefunden hat. Die Halle zwar sehr kahl und eine akustische Herausforderung für Beschallung mit lauter Strommusik – dafür die Bühne vor einer Glasfront mit Panoramablick auf die Elbe. Zwischen den Acts kurz frische Seeluft schnappen gehen auf Rollrasen hinter windschützendem Plexiglas. Schick, schick. Vielleicht eine Spur zu gediegen das Ganze: zu sehr Afterworkparty-Feeling – zu wenig Summer of Love. Oder wie es der Hamburger Elektromusiker EROBIQUE am Samstag formulierte: „Ey, ist das eigentlich laut genug da unten? Ich bin das nicht gewohnt, dass mich Erwachsene in Erwachsenenkleidung anstarren. Ihr sollt tanzen, ich bin nicht so spannend: Bart, Bauch, Brille. Freak fucking out in the name of Love!“ Herrlicher Typ! Sieht aus wie Benicio del Toro in „Fear and Loathing“, singt wie Jaques Palminger und macht crazy, funky, groovy Tanzmusik mit viel LoFi-Charme. Definitiv ein Highlight nach dem weniger begeisternden Freitag, den die dänische Powernudel HELENE HART einträllerte. Sah aus wie die junge Gitte Hænning, sang jedoch leider wie Alanis Morisette. Dann doch lieber wie Gitte Hænning. Nach ihr enterten KITES & KOMETS die Bühne und bekamen den penibelsten Soundcheck der Musikgeschichte. Sechs individuelle Monitormixes wurden eine Stunde lang abgemischt wie auf CD. „Could I have the Schüttelei 3 dB louder on my Monitor, please!“ Alter Däne… Die Musik war dementsprechend glatt und perfekt, keine Spur von LoFi-Charme, höchstens durch den analogen Rauschebart des Sängers, dafür Spuren belanglosester Tanzmusik der 80er und 90er. Die Leute trotzdem: begeistert. Begeisterung im wahrsten Sinne kam bei mir erst am Samstag auf, als Frontmann und Rauschebartkonkurrent Frederik Vedersø mit seinem exotischen Musikerkollektiv THE ECLECTIC MONIKER die kühle Elbbrise plötzlich in warme karibische Sommerluft verzauberte. Vedersøs Bart eher das Modell Hassprediger – aber die Predigt war: L-o-v-e! Hätte man mir vorher gesagt: „Entschuldigen Sie, gleich kommt der Messias, trägt einen Piratenohrring, macht afro-karibischen Indie-Pop, singt mit einer SEAL-mäßigen Stimme ´People of the sun, unite´ und du wirst es fressen wie Bountys“, ich hätte es eher nicht geglaubt. War aber so. Auch Kollege Gerdes war von den Socken: „Ey, die machen alles, was man eigentlich nicht machen darf: ausschweifende Gitarrensoli, Mitklatschen, Posen…“ Sich geknutscht haben sie auch noch. Grandiose Live-Band. Im Herbst sind sie wieder da. Ich auch. Und was ging sonst noch so, Kollege Gerdes? Hat sich noch jemand geknutscht?

 

(jg) Ich mich selbst nach dem überzeugenden 4-1 der Gladbacher gegen Ihren Lieblingsverein Werder Bremen, Herr Radler Reil. Liebevoll ging es am Samstag auch schon mit der ersten Band zu. THE FORGOTTEN BIRDS sind Jan Gazarra, den man bereits als Solokünstler kennt und der von der Pianistin, Gitarristin und vor allem zweiten Stimme Judy Willms unterstützt wird. Live sind noch die Französin Hélène Gaudet (Bass), der Schlagzeuger der GOLDENEN ZITRONEN, Stephan Rath, und als zweiter Gitarrist Alexander Polzin dabei, den man vielleicht aus dem Elektrobereich kennt und der heute außerdem Geburtstag hatte. Die Musik der FORGOTTEN BIRDS wird mitunter als Country Folk bezeichnet, man kann es auch einfach melancholischen Indie-Pop nennen. Dies ist vor allem dem perfekt harmonierenden Gesang des Duos Gazarra/Willms geschuldet. Im Oktober erscheint ihr Debüt-Album, Release-Party ist am 3. Oktober im Nachtasyl, hier ihr bezauberndes Video zu „Fools rush in“: http://www.youtube.com/watch?v=ma4tZxdJgJ0
Wesentlich lauter wurde es anschließend mit DARLING DON´T DANCE. An den Saiteninstrumenten: Drei Damen mit sehr rotem Lippenstift und hohen Schuhen, am Schlagzeug: ein wuseliger Typ, Marke The Animal. Das klang wie die dänische Ausgabe von DINOSAUR JR. oder SONIC YOUTH und war, schon allein aufgrund der Lautstärke, ein ziemliches Brett. Musikalisch noch sehr tief in den Neunzigern verwurzelt, als Grunge noch kein Schimpfwort war und dem Punk noch ziemlich nahe stand. Mir für den frühen Abend fast ‘nen Tick zu lärmig.
Die anschließenden COMPLICATED UNIVERSAL CUM machten in ihrem Indielook (der in Kopenhagen übrigens noch populärer zu sein scheint als beispielsweise in Berlin) zwar optisch was her, konnten mich musikalisch dafür umso weniger begeistern. Wenn man bedenkt, dass hier gleich sieben Leute auf der Bühne standen, passierte dafür ausgesprochen wenig. Da stellt sich die Frage, ob es tatsächlich bis zu vier Gitarren gleichzeitig bedarf. Wer jedoch Krautrock mit leichten psychedelischen Ausflügen etwas abgewinnen kann, könnte hier Gefallen dran finden. Dass man zu siebt eigentlich viel mehr veranstalten kann, bewiesen anschließend THE ECLECTIC MONIKER. Siehe oben.

http://www.unten-am-havn.net/