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PIEBALD – Accidental gentleman

„A piebald is an animal, especially a horse that has a spotting pattern of large white and black patches.“
Wie einem kleinen Mädchen sein schwarzweiß geflecktes Pony ist mir diese Band ans Herz gewachsen. Da ist nicht nur das hymnenhafte Kracheralbum „We are the only friends that we have“ und die vielen Perlen aus den 90ern, als noch kantiger Emo gespielt wurde. Seit der DVD wissen wir auch, dass hinter PIEBALD vier unverschämt sympathische und wirklich lustige Jungs aus Boston stecken, allen voran natürlich der Schlacks Travis mit seiner eindringlichen Quakstimme. Dass „All ears, all eyes, all the time“ mit ausgereiftem Songwriting vor zweieinhalb Jahren nicht der krönende Abschluss gewesen sein konnte, ließ sich schon auf der der DVD beiliegenden CD mit nicht verwendeten Songs der letzten Studiosessions erahnen. Die allein wären ein weiteres Album Wert gewesen.
Nun endlich „Accidental gentleman“ eingeschmissen: Irritation. Frei nach dem Motto „all you need is drums to start a dance party“ wird losgeknüppelt, monoton und anstrengend, drei Minuten lang, Kreissägengitarrensolo inklusive. Der fiese „Opener“ wird zwar abgelöst vom fröhlichen „A friend of mine“, welches verdächtig gut die Hymne „Humnan taste test“ des letzen Albums ersetzen könnte, aber der „Opener“ behält Recht: Deutlich rauer und sperriger geht es zu auf „Accidental gentleman“. Travis klingt bissiger und auch rhythmisch ist wieder mehr Abwechslung im Spiel. Beim schrägen „Shark attack“ wird gar der gute alte 5/4 Takt der Anfangsjahre abgestaubt, herrlich!
Eine plumpe Rückbesinnung auf die frühen, härteren Sachen sollte man allerdings auf keinen Fall erwarten, ebenso wenig wie ein Partyalbum. Wer also wie zu „Long nights“ abfeiern will, der kann gleich nach Hause gehen, auch wenn PIEBALD grundsätzlich auch hier extrem tanzbar bleiben.
Die gruselige Traumstimmung von „All ears,…“ kommt zwar nicht auf, in Sachen kreatives, unkonventionelles Songs-Schnitzen steht es seinem Vorgänger aber in Nichts nach. Travis hat sich mal wieder richtig ausgetobt, und so können wir uns an Songs erfreuen, wie dem einfach nur schönen, unpeinlich nostalgischen Pianostück „Strangers“, das einem ein kleines Lächeln ins Gesicht zaubert, dem Gute-Laune-Hit „Don’t tell me nothin“, mit dem man sich bereits in der Akustik-Tourbus-Autobahn-Version anfreunden konnte (wenn man denn die DVD aufmerksam geschaut hat) oder der Ode an ein paradiesisches Farmerleben „Life on the farm“ mit seinem herrlich quengligen, zweistimmigen Gesang, bei der mein Finger jedes Mal aufs Neue in die Luft schießt. (Thema Rückbesinnung zu Mutter Natur natürlich ganz oben mit dabei, wie das Cover auch schon vermuten lässt und die Tatsache, dass der PIEBALD-Tourbus an der Imbissbude auftgetankt werden kann.)
Dass die BEATLES nicht ganz außen vor sind, was Travis‘ Inspiration angeht, wurde ja auch schon letztes Mal deutlich, und so neigt auch hier die verträumte Fahrradhymne „Roll on“ gegen Ende ganz stark in ein „na na na nananana hey jude“ überzugehen – aber unfair, bei einem radiogeschädigten Song.
Ein wunderbares Album, wieder mal ganz eigenständig und doch 100% PIEBALD, mit vielen feinen Melodien, eingängig und doch nicht langweilig, weil sie erst ein paar Runden um den Kopf tanzen, bevor sie ins Ohr gehen und dort verweilen.
Erwähnenswert auf jeden Fall noch, das sich ein in der Trackliste nicht aufgeführter alter Bekannter als letztes Stück versteckt. Nämlich „We cannot read poetry“ von 2000 in frischem Soundgewand, an dem wieder mal hochkarätige Namen wie Alex Newport (AT THE DRIVE IN) beteiligt waren.
Alle Songs zum selber Gutfinden in kompletter Länge auf PIEBALDs Myspace-Seite. Wir sehen uns auf Tour im April oder so. Ich freu mich.