Obwohl KALTFRONT mit Sicherheit zu den textlich und spieltechnisch versiertesten Punk-Bands in der ehemaligen DDR gehörten, blieb den Dresdnern im Gegensatz zu anderen Ost-Punkbands wie SCHLEIM-KEIM, DIE SKEPTIKER oder MÜLLSTATION die große Aufmerksamkeit verwehrt. Dies ist sicherlich auch darauf zurückzuführen, dass es von ihnen bis dato keine offiziellen Studio-Aufnahmen gab, sondern lediglich selbst aufgenommene, qualitativ eher bescheidene Demo-Tapes und Live-Mittschnitte im Umlauf waren, die vor einiger Zeit bereits in Form der CDs „Zieh dich warm an“ und „Live ´88“ wiederveröffentlicht wurden. Zum anderen agierten KALTFRONT in ihren Texten auf einer eher subtilen Ebene, die nicht gerade viel Material für markige Lederjackensprüche bot, welche ja bekanntlich in Punk-Kreisen einen nicht unerheblichen Teil zur Legendenbildung beitragen.
Aber wie dem auch sei: Mittlerweile hat sich die ursprünglich kurz nach dem Mauerfall aufgelöste Band wieder zusammengefunden und kann mit „Zwischen allen Fronten“ erstmalig ein richtiges Studio-Album vorweisen, welches neben aktuellen Versionen bereits erprobter Lieder wie „Klimawechsel“, „Totentanz“ und „Keine Tränen“ in erster Linie neues Material enthält. Und siehe da, KALTFRONT geben auf dem Album eine richtig gute Figur ab. Dies beginnt bereits bei der Produktion, die zwar kraftvoll, aber keineswegs zu modern klingt und den typischen DDR-Punk-Charme wunderbar konserviert hat. Zudem verfügt die Band mit „Geisterstadt“, „Fahrstuhl zum Schafott“ oder „Wie ein Fremder“ über ein paar richtig gute Lieder, die einerseits recht rockig rüberkommen, andererseits aber auch eine düster-melancholische Grundstimmung verbreiten, die unweigerlich an frühe Deutschpunk-Bands wie STUNDE X oder die FEHLFARBEN erinnert. Des Weiteren wird noch den WIPERS gehuldigt, deren Song „Over the edge“ kurzerhand in „Über den Rand“ eingedeutscht wird.
Dass KALTFRONT weiterhin an ihrem früheren Stil festhalten und damit im Jahre 2011 alles andere als zeitgemäß klingen, ist aus meiner Sicht ausnahmslos positiv zu bewerten, denn gerade dieser Brückenschlag zur Vergangenheit macht diese Band relativ einzigartig. Und somit hat der Begriff „Ost-Punk“ letztendlich auch zweiundzwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung immer noch nicht an Aktualität eingebüßt.