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JR EWING – Stillstand bedeutet den Tod

JR EWING sind zurück! Und was hat sich geändert? Sie sind ernster geworden, viel ernster. Wollte man mit den ersten Releases scheinbar noch Maßstäbe in Sachen Brachialität setzen, so folgte mit „Ride paranoia“ ein Disco-Album. Wohlgemerkt für die guten der Alternative Discos. „Maelstrom“ kann man sich jedoch gar nicht so recht in der Disco vorstellen – vielmehr handelt es sich dabei um ein Album für’s Home Listening. Ähnlich, wie damals auch WEEZER’s „Pinkerton“ aus dem Rahmen fiel. „Ja, ein guter Vergleich!“ stimmt Andreas zu, den ich vor ihrem Konzert in der Hamburger Tanzhalle sprach. „Das Album ist definitiv anders, dunkler, ernster und experimenteller, aber es ist gleichzeitig das eindeutigste JR EWING-Album. Wir haben uns eigentlich immer weiterentwickelt, nur haben wir diesmal auch die Musik sehr ernst genommen.“ Eine Tatsache, wofür sicherlich auch so manche Schicksalsschläge der einzelnen Bandmitglieder ausschlaggebend waren. „Anfang 2004 versuchten wir, ein neues Album aufzunehmen, aber es funktionierte überhaupt nicht. Es gab, da gewisse negative Dinge, wie den Tod von Aaron.“ Der ehemalige Bassist der Band, verstarb im letzten Jahr im Alter von 25 Jahren an einem Herzinfarkt. Gerüchten zufolge an einer Überdosis Drogen, allerdings wollte Andreas dazu nicht weiter Stellung nehmen. „Zudem starb die Mutter unseres Gitarristen Håkon an Krebs, und ebenso verstarb mit Tor André Knudsen ein weiterer guter Freund von uns. Letztlich war die Musik das Ventil, um die Schicksalsschläge zu verarbeiten. Wir versuchten nicht, traurige Songs zu schreiben, wir sind auch definitiv keine traurigen Menschen. Aber wir haben einfach unsere Emotionen in der Musik ausgedrückt.“
Und mit „Maelstrom“ wurde dabei ein passender Titel gewählt. „Ein Maelstrom ist ein natürliches Phänomen, ein Strudel. Es war schwer, einen passenden Titel für unser Album zu finden. Kenneth, unser Drummer hat ein Buch von Edgar Allan Poe mit dem Titel „A descent into the maelstrom“ gelesen, das ihm sehr gefiel, und wir fanden, dass der Begriff sehr gut zur Musik passt.“
Doch die Musik ist nicht nur ernster, sie ist auch wesentlich vielschichtiger geworden als zu den Anfangstagen der Band. Die musikalische Entwicklung verlief dabei ähnlich wie die der Dänen von LACK. Etwa zeitgleich zu „Calling in dead“ erschien auch LACK’s „Blues moderne: danois explosifs“ und 2005 überschlägt sich die Presse mit Lobhudeleien ob der Komplexität und Vielfalt der neuesten Werke beider Bands. Der Parallelentwicklung kann Andreas zwar nicht zustimmen, da er das aktuelle Album von LACK noch nicht kannte, „aber ich könnte es mir bei ihnen gut vorstellen. Wir haben zwar schon zusammen mit ihnen gespielt, aber ich habe sie nun schon seit Jahren nicht mehr getroffen.“ Wie dem auch sei – die Presse zeigt sich positiver gestimmt denn je zuvor, was natürlich auch die Band erfreut. „Bisher ist die Resonanz sehr gut. Das Album kam in Norwegen schon im Mai heraus, wir bekamen gute Reviews und wurden dort (http://www.alarmprisen.no) abermals für das „Rockalbum des Jahres“ nominiert. Auch im Ausland, z.B. Deutschland, waren die Reviews sehr gut. Mit „Maelstrom“ erhalten wir auch viel mehr Airplay als mit den vorigen Sachen.“
Und auch die Fans scheinen die Weiterentwicklung insgesamt recht positiv aufzunehmen. „Wir haben schon lange nicht mehr in Deutschland gespielt, so müssen wir das erst mal abwarten. In England kamen aber viele alte Fans zu unseren Shows, auch wenn sie älter geworden sind. Auf der anderen Seite wird es aber auch immer ein paar Leute geben, die nicht zufrieden sind, wenn man sich weiterentwickelt. Dann sollen die doch ihre eigene Band starten!“ Den Mund lässt man sich noch immer nicht verbieten. Man bezeichnet sich zwar nach wie vor nicht als politisch, aber seine Meinung tut man auch heute noch kund. Zwar nicht so radikal wie der ehemalige Bassist Aaron, der wegen eines Brandanschlags auf ein norwegisches Schlachthaus 1999 für zehn Monate ins Gefängnis wanderte, aber so äußerte sich die Band auf ihrer Homepage kürzlich doch kritisch zu einer homophoben Aussage der Musiker von KAISERS ORCHESTRA in einer norwegischen Tageszeitung.
Doch bleiben wir bei der musikalischen Weiterentwicklung. „Es gibt zwar Bands wie SLAYER und IRON MAIDEN, die den Fans nur das geben können, was sie verlangen – nämlich den alten Sound. Für die meisten anderen Bands gilt dies aber nicht. Die müssen sich entwickeln, wenn sie überleben wollen. Nicht unbedingt verändern, aber zumindest abwandeln, um es auch für sich selbst interessant zu halten. Und es gibt nichts Langweiligeres als wie z.B. bei THRICE, im Grunde immer wieder dasselbe Album zu veröffentlichen. Wir hatten die Grenzen unserer Musik ursprünglich sehr eng gesteckt, aber inzwischen sehen wir keine Beschränkungen mehr. „ Und so kann man sicherlich auch gespannt sein, was in der Zukunft noch folgen wird. Der Nachfolger wird eventuell noch mehr „Stimmungen“ beinhalten als auf ihrem jetzigen Album vorhanden sind, so sieht es der Sänger jedenfalls heute. Wobei es zwischenzeitlich um das Fortbestehen der Band gar nicht so sicher stand. „Sicher dachten wir im letzten Jahr auch an Auflösung! Wir waren mit „Ride paranoia“ unermüdlich auf Tour und fühlten uns einfach schlecht, als wir wieder zu Hause waren. Aber wir gönnten uns eine Pause und luden die Batterien wieder auf.“ Streitereien schienen dabei allerdings nicht der Grund gewesen zu sein. „Es gab sicher Meinungsverschiedenheiten, aber wir kommen ganz gut miteinander aus. Wir brauchten nur etwas Ruhe und Zeit für unser Familien und Freundinnen.“. So ist für Januar/Februar 2006 noch eine große Europa-Tour mit vielen Gigs geplant. Und das Fortbestehen der Band ist den Fans damit für die kommenden Jahre garantiert? „Nun, wir werden sehen“, lacht er und lässt die Anhänger hoffen.