Nussschalen knacken, Fingernägel werden abgekaut, der Mann neben mir knabbert 1000 Kürbiskerne pro Minute. 50 slowenische Fans feiern zwischen Polizisten und bengalischen Feuern die überraschende 1:0 Halbzeitführung. Ein Wortgewitter von links prasselt auf mich nieder, ich versuche meinem kroatischen Gesprächspartner deutlich zu machen, dass ich seine Sprache nicht verstehe. Nachdem das seinen Redeschwall nicht mindert, nicke ich einfach bestätigend. Dinamo spielt zwar druckvoller, geht aber zu leichtfertig mit dem Übergewicht um. Sprachen ohne Vokale saugen! In Gedanken verkauft Peter Bond mir ein „E“ und ein „A“, was die Kommunikation mit meinem Sitznachbarn erheblich verbessert. Eduardo Da Silva, der Brasilianer in Reihen des kroatischen Meisters, ist eine technische Augenweide, aber kein Knipser. Erinnerungen an die legendären Nando und Marcao werden wach. Allerdings war Marcao noch nicht einmal Fußballer, er war Fleischer, wie mir kürzlich zu Ohren kam…
Die Halbzeitpause gibt mir Gelegenheit das Stadion genauer zu untersuchen. Ich fühle mich an meine ersten HSV-Heimspiele erinnert. Die Anzeigentafel kann nur ca. 80 Prozent der Bildpunkte anzeigen und die Ränge sind mäßig gefüllt. Fußball an diesem Abend lässt aber noch viel Platz zum Atmen. Aufdringliche Werbetafeln, Promoter und Merchandisingstände sucht man vergebens. Ein Wasser kostet 50 Cent, das Bier ca. 1,50 Euro. Snacks gibt es in Form von diversen Kerne, Nüssen und Popcorn.
Als Mijatovic in der 60. Minute mit einem sehenswerten Freistoß das 1:1 markiert und somit das Hinspielergebnis egalisiert, wird es urplötzlich lauter als bei MANOWAR 1988. Die Fankurve skandiert „Dinamo“, die restlichen Zuschauer antworten „Zagreb“. Zugegeben, es gibt einfallsreichere Schlachtrufe. Jedoch blicken die Spieler von NK Maribor fast schon ängstlich in Richtung Trainerbank. Zweck erfüllt! Dinamo spielt in den folgenden Minuten wie aufgedreht, drängt auf den zweiten Treffer. In der 65. Minute schnappt sich Drpic den Ball und erlöst mit einem 25 Meter-Knaller der Marke Martin Kree meets Karl Allgöwer 20.000 Dinamo-Fans. Zagreb steht vor dem Einzug in die dritte Runde der Champions-League-Qualifikation. Da Silva steht in der 80. Minute völlig alleine vor Maribor Schlussmann Kuzma. Nicht denken, nicht zaubern, einfach Pike, denke ich. Der vermeintliche Star der Mannschaft entpuppt sich in diesem Moment als Loser des Abends: Sein missglückter Lupfer landet hinter dem Tor.
Die verbleibenden zehn Minuten wird gezittert. Dinamo spielt mittlerweile nur noch zu zehnt (Mitu hatte die Gelb-Rote Karte gesehen) und ein einziger Gegentreffer würde das Aus bedeuten.
Wir malen uns aus, wie die Dinamo-Fans nach einem Ausscheiden das Spielfeld stürmen, den Schiedsrichter in die Katakomben jagen und sich im Mittelkreis mit den 50 slowenischen Fans zum Baseballspiel treffen würden… Die ca. 10.000 Leutchen im Fanblock machen jedenfalls alles andere als einen friedlichen Eindruck. Da Maribor aber auch die besten Chancen nicht nutzen kann, machen wir uns auf einen gemütlichen Heimweg, umringt von jubelnden Fans und Autokorsos.
Abends werden wir zum Essen eingeladen. Beba, die Tante meiner Freundin hat für zwei Kompanien gekocht. Wir sitzen zu fünft am Tisch. Sinica erzählt, dass er eher selten zum Fußball geht. Basketball ist groß, aber Fußball… Es gibt keinen Davor Suker mehr. Stattdessen viel zu viele Schlägereien nach den Spielen. Gegen Hadjuk Split wird’s heiß her gehen, da ist er sich sicher.