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Gregor Samsa über: Konzerte

Im Rahmen unseres Specials zum 20jährigen Sounds of Subterrania-Jubiläum hier unser zweiter Teil zum Thema Konzerte:

Ausgehend von der aufwändigen Gestaltung der Special Editions, bei denen die künstlerische Form auch immer die implizite Aufforderung enthält, sich mit dem, was man da vor sich hat, in besonderer Weise auseinanderzusetzen, liegt die Frage nahe, inwieweit Gregor manchmal das Bedürfnis hat, auch Konzerte anders zu gestalten.
„Konzerte sind eigentlich nicht so mein Metier“, überlegt Gregor, aber „ein bisschen habe ich das mit der Labelwoche jetzt ja versucht zu machen, indem ich kein Festival im eigentlichen Sinne gemacht habe, sondern den Leuten die Chance gebe, gezielt Musik zu hören. Man hat eine Aneinanderreihung von Konzerten, aber man kann sich damit beschäftigen und ist nicht total kaputt.“
Zentral für die Möglichkeit der Auseinandersetzung ist dabei ein intimer Rahmen: „Was ich abschaffen würde, wären zu große Konzerte. Man hört ja meistens gar nicht die Band“, fügt Gregor hinzu. „Bei einem richtig großen Konzert hörst du nicht den Verstärker der Band, sondern die Anlage vom Club. Wenn du Glück hast, haben sie eine richtig gute Anlage, dass du noch ein bisschen mehr Sound aus den Verstärkern hast, aber im Grunde ist es die Clubanlange, die du hörst. Viele große Bands produzieren da auch draufhin, so dass es nicht mehr unterscheidbar ist. Du kannst mit ganz moderner Technik das jetzt auch so einstellen, dass du alles nur noch virtuell hast. KREATOR z.B. gehen mit einer virtuellen PA auf Tour. Jedoch habe ich schon den Anspruch, dass ein Konzert für mich nicht nur reines Entertainment ist, sondern ich sehe es immer noch als Form der Informationsweitergabe und auch der Interaktion. Und ab einer gewissen Größe des Publikums kippt das Ganze: Dann hast du einfach nur jemanden, der vorne steht und predigt und du hast die ganzen Schafe, die zuhören und das unhinterfragt übernehmen. Es gibt keinen Austausch mehr. Das sind dann Rockshows. Und das ist eben auch das, was viele Punkbands heute machen – einfach nur eine Rockshow.“
Was er damit meint, wenn er von Entertainment und Rockshow spricht, wird an anderer Stelle noch deutlicher: „Es gibt ganz viele Konzerte, da spielt es kaum eine Rolle, was die Band macht, weil die Leute Fans sind und das eben gut finden, weil sie Fans sind. Aber es gibt keinen Punkt, wo sie auf einmal sagen: wow, ich habe mich geirrt. Es gibt überhaupt keinen Bruch. Es ist alles aalglatt. Und da gibt es eben keinen Unterschied zum Schlager. Musik, die nur zur Unterhaltung kreiert ist, weil der Moment der Irritation nicht mit eingebaut ist. Und ich mag eigentlich Konzerte, die irritieren und wenn das nur die Zusammenstellung von Bands ist, die eben nicht aalglatt ist.“
Hier sieht Gregor auch den Unterschied zu Bands oder Künstlern, wie AFRICAN CONNECTION oder LUBOMYR MELNYK, die beide auf Sounds of Subterrania veröffentlicht haben und auch bei der Labelwoche im Hafenklang dabei sind. „Wenn man eine Band wie AFRICAN CONNECTION sieht, die aus einem ganz anderen Kontext kommt – wie dort Sachen formuliert werden und dass es darum geht, erstmal Inhalte, also wirklich Inhalte zu vermitteln. Oder wenn man jemanden wie LUBOMYR MELNYK hat, der eine völlig eigene Sprache innerhalb der Klassik oder eine Erweiterung von Mimimal vor-genommen hat – die arbeiten ja ganz anders. Da geht es ja nicht einfach nur darum, Leute zu bespaßen. Ich würde mir wünschen, dass vielmehr Leute wieder damit rechnen, dass sie ein Konzert nicht verstehen können oder Musik nicht verstehen können. Dass nicht alles schön sein muss, dass nicht alles gefallen muss und dass sie sich wieder hinsetzen und sagen: ‚Ich muss da nochmal reinhören! Was war das jetzt? Das hat mich irritiert.‘ Und dann nochmal reinhören und vielleicht zwanzig mal reinhören, ehe sie einen Zugang gewinnen. Aber das ist viel wichtiger, als das sofort gut zu finden, und meistens ist es ja so, wenn man Sachen sofort gut findet, überhört man sie sich auch sehr schnell und kommt dann nicht weiter. Ich finde, das sind ja alles Punkte, die wichtig sind in einer Auseinandersetzung.“